Blickpunkt Lateinamerika | Deutsche Welle

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Item 1
Id 68957387
Date 2024-05-03
Title Freedom of Speech Award für Julia Nawalnaja
Short title Freedom of Speech Award für Julia Nawalnaja
Teaser Julia Nawalnaja, die Witwe des russischen Oppositionellen Alexej Nawalny, setzt die Arbeit ihres in Haft verstorbenen Mannes fort. Dafür zeichnet die DW sie und ihre Stiftung mit ihrem Menschenrechtspreis aus.

Drei Tage nach dem Tod des russischen Oppositionspolitikers Alexej Nawalny im Februar 2024 erklärte seine Witwe Julia Nawalnaja öffentlich, sie werde seine Nachfolge antreten und die Leitung der "Stiftung gegen Korruption" (FBK) übernehmen. 2011 hatte ihr Mann die nicht gewinnorientierte Organisation gegründet. Das Ziel: Fälle von Bestechung und Machtmissbrauch in der russischen Elite aufzudecken, öffentlich zu machen und dadurch Korruption zu bekämpfen. Viele sehen in Nawalnys Tod in einem Straflager in Sibirien eine Folge der jahrelangen Repressalien, mit denen russische Behörden den 47-Jährigen wegen seiner politischen Aktivitäten drangsalierten.

Nun verleiht die Deutsche Welle Julia Nawalnaja und der "Stiftung gegen Korruption" den zehnten Freedom Of Speech Award. DW-Intendant Peter Limbourg begründete die Wahl mit dem "unerschütterlichen Mut", mit dem Nawalnaja und ihre Mitstreiter für ein freiheitliches Russland kämpften: "Julia Nawalnaja hat die politische Arbeit ihres Mannes Alexei Nawalny im Kampf für die Presse- und Meinungsfreiheit in Russland von Anfang an unterstützt - trotz aller Risiken, ständiger Bedrohung und persönlichen Einschränkungen."

Julia Nawalnaja wollte nicht Politikerin werden

Mit der Nachfolge ihres verstorbenen Ehemanns hat Julia Nawalnaja nach Ansicht von Beobachtern eine eigene politische Karriere angekündigt. Einige sehen sie als neues Gesicht der russischen Opposition. Dabei wollte sie eigentlich nie Politikerin werden.

1998 hatte sie Alexej Nawalny im Türkei-Urlaub kennengelernt und im Jahr 2000 geheiratet. Ein Jahr später kam ihre Tochter Daria und 2008 ihr Sohn Sachar auf die Welt. Nawalnaja hatte einen Abschluss der Fakultät für Internationale Wirtschaftsbeziehungen der Plechanow-Universität in Moskau. Statt eine eigene Karriere zu planen, unterstützte sie jedoch die ihres Mannes.

In den 2000er Jahren trat das Ehepaar der liberalen Jabloko-Partei bei. Als ihr Mann ein immer wichtigerer Politiker wurde, arbeitete Nawalnaja mit ihm Businesspläne aus. "Ich war eine unsichtbare Helferin", sagte sie 2014 dem Magazin "Afisha", das mit Nawalnaja auf dem Cover titelte: "Das stärkere Geschlecht".

Erstmals hatte die Presse über Nawalnaja berichtet, als sie mit weiteren Oppositionellen Haftanstalten in ganz Moskau nach ihrem Mann absuchte, weil der nach einer Kundgebung für faire Wahlen von der Polizei abgeführt worden war.

Bewährungsproben für die "First Lady" des Oppositionsführers

Der "dramatischste Tag", sagte Julia Nawalnaja einst, sei jedoch der im Jahr 2013 gewesen, an dem ihr Mann wegen angeblicher Veruntreuung zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt wurde. Bilder aus dem Gerichtssaal zeigten Julia Nawalnaja mit gesenktem Kopf. Sie war auf das Schlimmste vorbereitet. Doch nach einem Aufschrei der Öffentlichkeit setzte das Gericht die Haftstrafe zur Bewährung aus.

Später sagte Nawalnaja, sie habe sich mit den Risiken der politischen Arbeit ihres Mannes abgefunden: "Die Menschen glauben an ihn, ihre Augen leuchten und sie gehen auf die Straße, obwohl sie eingeschüchtert werden und ihnen Haft droht. Das ist toll", betonte sie im "Afisha"-Interview.

Die politische Bühne betrat Julia Nawalnaja erstmals 2013 im Wahlkampf ihres Mannes um das Bürgermeisteramt von Moskau. Nawalny wollte für Transparenz in der Politik sorgen - was sein Einkommen, seinen Besitz, aber eben auch seine Familie anging. Damit stellten die Nawalnys einen Kontrast zu den Politikern alten Stils dar. Nawalny erreichte mit knapp 27 Prozent der Stimmen Platz zwei hinter Wahlsieger Sergej Sobjanin und Julia Nawalnaja wurde zur "First Lady" des neuen Oppositionsführers.

Eine weitere Bewährungsprobe bestand Julia Nawalnaja im Sommer 2020 in Omsk, als ihr Mann Opfer eines Giftanschlags wurde. Der Arzt Aleksandr Polupan sagte der DW, Nawalnaja habe sich in jener Stresssituation als gefasst, willensstark und selbstbewusst erwiesen. Polupan glaubt, dass ihre Beharrlichkeit maßgeblich dazu beitrug, dass Nawalny nach Deutschland transportiert wurde und der Fall große öffentliche Aufmerksamkeit erhielt.

Nawalnaja hatte damals an den russischen Präsidenten Wladimir Putin appelliert, eine Behandlung ihres Mannes in Deutschland zu erlauben. Putin sagte später, er habe die Staatsanwaltschaft persönlich darum gebeten, Nawalny die Ausreise zu gestatten, gleich nachdem die Frau des Oppositionellen ihn darum gebeten habe.

"Symbol des moralischen Widerstands"

Der Politologe Dmitrij Oreschkin glaubt, dass Julia Nawalnaja sich als wichtiges Symbol im Widerstand gegen die "männliche" Tyrannei in Russland erweisen könnte. Während die Mehrheit der männlichen Bevölkerung fest an einen Angriff der NATO auf Russland glaube, müssten Frauen in Russland konkrete Probleme lösen: "Ihre Männer wurden getötet, Brüder mussten zur Armee und Söhne wurden in die Ukraine in den Tod geschickt", schreibt Oreschkin. "Die Gedanken der Frauen folgen keiner Ideologie, sie wollen ihre Familienangehörigen zurückhaben. Nawalnajas Image könnte sich für die Opposition im In- und Ausland als einigend erweisen."

Andrey Kolesnikov, Senior Fellow beim Carnegie Endowment for International Peace in Washington, meint, Julia Nawalnaja könne zu einem "moralischen Symbol des Widerstands" werden: "Sollte es jemals dazukommen, dass eine demokratische Präsidentschaftskandidatin nominiert wird, dann wird Julia auf jeden Fall aus Sicht von Millionen von Menschen die beste Kandidatin sein."

"Mit der Tötung von Alexej hat Putin die Hälfte von mir, die Hälfte meines Herzens und die Hälfte meiner Seele getötet", sagte Julia Nawalnaja. Die verbleibende Hälfte sei nun voller "Wut, Zorn und Hass", die sie antreiben würden, den Traum ihres Mannes zu verwirklichen: den Aufbau eines Russlands "voller Würde, Gerechtigkeit und Liebe".

Der Freedom of Speech Award soll Julia Nawalnaja am 5. Juni 2024 in Berlin persönlich überreicht werden. Die Laudatio wird der Bundesfinanzminister und FDP-Vorsitzende Christian Lindner halten.

Mitarbeit: Jan Walter und Markian Ostaptschup

Short teaser Julia Nawalnaja führt die Arbeit ihres verstorbenen Mannes Alexej Nawalny fort und erhält den DW-Menschenrechtspreis.
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Image caption Julia Nawalnaja (M.) Mitte März vor der russischen Botschaft in Berlin
Image source Carsten Koall/dpa/picture alliance
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Item 2
Id 68978567
Date 2024-05-02
Title Geächtete Waffen im Ukraine-Krieg
Short title Geächtete Waffen im Ukraine-Krieg
Teaser Die USA werfen Russland vor, in der Ukraine Chemiewaffen einzusetzen. Es wären nicht die einzigen international geächteten oder zumindest umstrittenen Waffen, die im Ukraine-Krieg zum Einsatz kämen - auf beiden Seiten.

Chlorpikrin ist eine giftige, ölige Flüssigkeit mit einem extrem penetranten Geruch. Kommen Menschen mit dem Stoff in Kontakt, kann er Hautblasen, Augenreizungen und Atembeschwerden hervorrufen. Besonders gefährlich ist, dass sein Dampf beim Einatmen die Blutgefäße in den Lungen angreift. Die Folge: ein Lungenödem mit rasselnden Atemgeräuschen und schaumig-rotem Auswurf, das schlimmstenfalls zum Tod führen kann. Bereits im Ersten Weltkrieg war man sich der Wirkung des Stoffes bewusst. Ursprünglich war Chlorpikrin als Pestizid entwickelt worden. Doch die russische Armee entwickelte daraus einen Kampfstoff. Auch die deutsche Armee setzte es ab 1916 in Gasgranaten an der französischen Front ein.

Chemiewaffen in der Ukraine?

Nun, mehr als ein Jahrhundert später, soll die russische Armee den Stoff erneut eingesetzt haben. Das zumindest wirft das US-Außenministerium Moskau vor. Auch andere Reizgase sollen die russischen Truppen verwendet haben. Ziel, so das Pentagon, sei es, die ukrainischen Streitkräfte aus befestigten Positionen zu verdrängen, um so taktische Fortschritte auf dem Schlachtfeld zu erzielen.

Sollte sich dies bewahrheiten, wäre das eine Verletzung der internationalen Chemiewaffenkonvention. Diese war 1997 in Kraft getreten und verbietet die Entwicklung, Herstellung, Lagerung und den Einsatz chemischer Waffen. Außerdem regelte das Abkommen, dass sämtliche bestehenden Chemiewaffenarsenale deklariert und bis 2012 unter internationaler Aufsicht vernichtet werden mussten. Dass dies nicht flächendeckend geschehen ist, wurde etwa im Syrienkrieg deutlich, wo die Armee von Machthaber Baschar al-Assad noch 2018 einen Giftgasangriff in einem Vorort von Damaskus durchgeführt haben soll.

Russland besaß einst das größte Chemiewaffenarsenal der Welt, gehört aber auch zu den Unterzeichnerstaaten der Chemiewaffenkonvention. Die Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OPCW) bestätigte im Jahr 2017, dass sämtliche russischen Chemiewaffenbestände mittlerweile vernichtet seien. Der Kreml wies den Einsatz chemischer Waffen in der Ukraine denn auch umgehend zurück. Dennoch zeigen nicht zuletzt die Anschläge auf Sergei Skripal und Alexej Nawalny, dass in Russland auch weiterhin chemische Kampfstoffe existieren - und auch zum Einsatz kommen.

Streubomben auf russischer und ukrainischer Seite

Eindeutiger dokumentiert ist, dass seit dem Ausbruch des Krieges im Februar 2022 wiederholt Streubomben eingesetzt wurden. Human Rights Watch zufolge sollen russische Streitkräfte seit ihrem Einmarsch mindestens sechs Arten von Streumunition benutzt haben. Erst in dieser Woche soll Russland die Schwarzmeerstadt Odessa unter anderem mit Streubomben angegriffen haben.

Aber auch die ukrainische Armee nutzt Streumunition. Im Juli 2023 hatte US-Präsident Joe Biden die Lieferung von Streubomben an Kiew erlaubt. Diese Bomben explodieren in der Luft und geben dabei hunderte kleinerer Bomben frei, die sich auf besonders weite Regionen verteilen und nicht alle sofort explodieren. Dadurch können sie noch Jahre später zur tödlichen Gefahr werden. Auch Streubomben sind laut des Übereinkommens über Streumunition seit 2010 geächtet. Jedoch haben weder die USA, noch Russland oder die Ukraine das entsprechende Abkommen unterschrieben.

Massenhafter Einsatz von Minen in der Ukraine

Die Ukraine ist das verminteste Land der Welt. Mehrere Millionen Sprengsätze sollen mittlerweile vergraben worden sein - auf einer Gesamtfläche, die doppelt so groß sein soll wie Österreich. Seit über einem Jahr hat sich der Konflikt im Osten des Landes zu einem Stellungskrieg entwickelt. Die Front hat sich in der Zeit nur geringfügig verschoben. Um ihre Verteidigungsstellungen zu sichern, setzen beide Seiten auf Anti-Panzer- und Anti-Fahrzeug-Minen, die in breiten Gürteln beidseits der Front verlegt werden.

Um eine Räumung zu erschweren, werden dazwischen jedoch auch immer wieder Anti-Personen-Minen verlegt - die aber sind seit 1997 international geächtet. Die Ukraine ist dem Vertrag zusammen mit 163 weiteren Ländern seinerzeit beigetreten, Russland jedoch nicht.

Besonders dramatische Folgen hatte die Sprengung des Kachowka-Staudammes östlich von Cherson im Sommer 2023. Denn die dadurch freigesetzten Wassermassen haben auch zahlreiche Minen freigespült und mitgerissen. Wie viele dies sind und wo genau sie sich heute befinden, ist weitestgehend unbekannt.

Phosphorbomben auf Mariupol und Bachmut?

Phosphorbomben bestehen aus weißem Phosphor und einer Mischung aus Rohbenzin und Kautschuk und werden unter anderem als Brandbombe eingesetzt. Sie entzünden sich bei Luftkontakt selbst und werden bis zu 1300 Grad heiß. Die Explosion einer Phosphorbombe setzt hunderte brennender Kügelchen frei. Bereits geringste Mengen können zu schwersten Verbrennungen führen, zudem sind die Dämpfe des weißen Phosphors hochgiftig.

Der Einsatz von Phosphorbomben ist laut Genfer Konvention gegen Zivilpersonen und in städtischen Gebieten verboten - nicht jedoch im Allgemeinen. Die Ukraine wirft der russischen Armee vor, Phosphorbomben bei den Kämpfen um das Asow-Stahlwerk in Mariupol sowie in Bachmut eingesetzt zu haben. Moskau bestreitet das.

Aber auch die Ukraine hatte in der Vergangenheit von ihren Unterstützerländern die Lieferung von Phosphor-Brandwaffen zur Landesverteidigung gefordert, diese jedoch nicht erhalten.

Urangeschosse für Kiew

Geliefert haben die USA der Ukraine panzerbrechende Uranmunition. Dabei handelt es sich um mit abgereichertem Uran ummantelte Geschosse, die einen Panzer durchschlagen können. Der im Fahrzeuginneren freigesetzte Uranstaub entzündet sich bei Luftkontakt und verbrennt dann die gesamte Fahrerkabine. Es gibt keine internationale Konvention, die die Verwendung von Uranmunition ächtet.

Dennoch warnen Experten vor gesundheitlichen Langzeitfolgen durch den schwach radioaktiven Uranstaub. Während des Irakkrieges 2003 waren hunderte Tonnen Uranmunition verschossen worden. Dort soll es einem Bericht der Organisation Internationalen Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges (IPPNW) zufolge in den Regionen, in denen massiv Uranmunition eingesetzt wurde, zu einem deutlichen Anstieg von Missbildungen, Krebserkrankungen und anderen Folgeschäden gekommen sein. Eine erhöhte Gefährdung für die Zivilbevölkerung konnte durch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) und die Internationale Atomenergiebehörde (IAEO) jedoch bislang nicht bestätigt werden.

Short teaser Setzt Russland in der Ukraine Chemiewaffen ein? Es wären nicht die einzigen hochumstrittenen Waffen in diesem Konflikt.
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Item 3
Id 68965480
Date 2024-05-02
Title Huthi-Miliz im Jemen: Neue Stärke durch Angriffe im Roten Meer
Short title Huthi-Miliz: Neue Stärke durch Angriffe im Roten Meer
Teaser Die vom Iran unterstützte Huthi-Miliz wird durch die Attacken, die sich gegen Israel richten sollen, immer bekannter und baut ihre Macht aus. Dadurch verschärfen sich die humanitäre und die Wirtschaftskrise im Jemen.

Zwei Wochen hatten die jemenitischen Huthi-Milizen ihre Waffen schweigen lassen, dann aber beschossen sie erneutFrachtschiffe im Roten Meer. Ins Visier nahm sie solche, deren Herkunftsländer entweder mit Israel oder den USA in Verbindung stehen oder die internationale Anti-Huthi-Marinekoalition im Roten Meer unterstützen.

Begonnen hatte die Miliz ihre Angriffe im November vergangenen Jahres, um so nach eigenen Angaben ihre Solidarität mit den Palästinensern im Gazastreifen zu bekunden.

Zwar ist es der von Iran unterstützten Gruppe nicht gelungen, den Kriegsverlauf zwischen Israel und der Hamas zu beeinflussen. Dafür aber haben ihr die Angriffe auf Schiffe im Roten Meer im Jemen selbst eine ungeahnte Popularität verschafft.

Hierzu muss man wissen: Der Jemen ist in Machtblöcke gespalten. Auf der einen Seite der Front liegen die von den Huthi beherrschten Gebiete im Norden und Westen mit der Hauptstadt Sanaa. Auf der anderen Seite befinden sich jene Gebiete, die überwiegend unter der Kontrolle des Präsidentenrats der international anerkannten Regierung liegen. Die Spaltung ist Ergebnis des nach dem arabischen Revolutionsjahr 2011 einsetzenden Krieges, in dessen späteren Verlauf die Huthi weite Teile des Jemen unter ihre Kontrolle brachten.

Der Konflikt eskalierte 2015, als sich eine von Saudi-Arabien angeführte Koalition mehrerer arabischer Staaten zur Unterstützung der international anerkannten Regierung zusammenschloss. Der jahrelange Krieg forderte Hunderttausende von Menschenleben. Nach Angaben der Vereinten Nationen hat er zu einer der weltweit schlimmsten humanitären Krisen geführt.

Popularität als politisches Kapital

In der Folgezeit machten sich die Huthi zunehmend unbeliebt in weiten Teilen der Bevölkerung. Verantwortlich dafür seien seinerzeit vor allem "Misswirtschaft, Korruption, Vetternwirtschaft sowie eine am Boden liegende Wirtschaft" gewesen, sagt Hisham Al-Omeisy, ehemaliger Direktor des International Rescue Committee für den Jemen im US-Außenministerium.

Nun aber profitierten die Huthi von ihrer durch die Angriffe gewonnenen Popularität, und zwar lokal ebenso wie regional, so Al-Omeisy im DW-Gespräch. "Auf dieser Grundlage festigen sie ihre Herrschaft und weiten zugleich ihre Kontrolle aus."

Mit guter Regierungsführung hat dies offenbar weniger zu tun. "Die Art und Weise, wie die Huthi die Jemeniten unter ihrer Herrschaft behandeln, steht im Widerspruch zu der scheinbar humanitären oder moralischen Haltung, die sie angeblich in der Palästina-Frage einnehmen", sagt etwa der Politologe Thomas Juneau von der Universität Ottawa, im DW-Gespräch.

Dies gelte insbesondere mit Blick auf Taiz, die mit rund 940.000 Einwohnern drittgrößte Stadt des Jemen. Sie wird seit rund sechs Jahren belagert. Die Huthi blockieren nach wie vor die Hauptzufahrtswege in die von der Regierung kontrollierte Stadt. Wasser und Grundnahrungsmittel sind knapp.

"Seit die Huthi die Palästinenser unterstützen, haben wir keinerlei Zugeständnisse oder Initiativen gesehen, um das Leid der Menschen in Taiz zu lindern", sagt Fatima, eine junge Hausfrau und Mutter, die aus Angst vor Repressalien ihren Nachnamen nicht nennen will, im DW-Gespräch.

Jemen: Machtpolitik per Münze

In naher Zukunft könnte sich die wirtschaftliche Kluft und damit auch die humanitäre Lage insbesondere in den von der Regierung kontrollierten Gebieten weiter verschlechtern.

Im April gab die von den Huthi geführte Zentralbank in Sanaa eine neue Stückelung der Landeswährung, eine 100-Rial-Münze als Ersatz für beschädigte Banknoten desselben Nennwerts, heraus. Diese wurde von der regierungsnahen Zentralbank in Aden jedoch umgehend als "Fälschung" bezeichnet.

Dennoch hat der Schritt bereits zu erheblichen Wertschwankungen in den beiden Landesteilen geführt. Nach Angaben der jemenitischen Presseagentur lag der Verkaufspreis für einen US-Dollar in dieser Woche bei 1683 jemenitischen Rial in Aden. Der Wechselkurs in der von den Huthi kontrollierten Hauptstadt Sanaa lag jedoch lediglich bei 530 jemenitischen Rial.

"Die Huthi lassen ihre Muskeln spielen und sagen der jemenitischen Regierung, dass fortan sie es sind, die die Finanz- und Geldpolitik bestimmen", so Experte Al-Omeisy.

Das Streben der Huthi nach Herrschaftslegitimation

Das wichtigste innenpolitische Ziel der Huthi sei es, als regierende und legitime Autorität im Jemen aufzutreten, analysiert Thomas Juneau. "Sie sehen sich in der Lage, ihren in- wie ausländischen Rivalen, allen voran Saudi-Arabien, vermehrt Zugeständnisse abzuringen." Der weite Zuspruch, den die Huthi aufgrund ihrer Schiffs-Angriffe erfahren, stärkt ihre Position bei den politischen Machtkämpfen im Jemen auf allen Ebenen.

Dies dürfte sich auch auf das Anliegen des saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman auswirken, den kostspieligen Krieg im Jemen zu beenden. Für dieses Ziel muss er womöglich nun seine ehemaligen Feinde, die Huthi, als wichtigste jemenitische Autorität anerkennen.

Aus dem Englischen adaptiert von Kersten Knipp.

Short teaser Die Huthi-Milizen setzen mit ihrer neu gewonnenen Popularität ihre Gegner unter Druck.
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Image caption Huthi-Kundgebung gegen Israel und die USA, Sanaa
Image source Osamah Yahya/dpa/picture alliance
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Item 4
Id 68977373
Date 2024-05-02
Title Philippinische Pflegekräfte in Deutschland kämpfen mit der Sprache
Short title Philippinische Pflegekräfte: Schwerer Start in Deutschland
Teaser Philippinische Pflegekräfte sind in Deutschland sehr gefragt. Schwierigkeiten beim Erlernen der deutschen Sprache machen es aber ihnen schwer, sich zu Hause zu fühlen.

Elaine Custodio kam im März 2018 nach Bonn, eine mittelgroße Stadt am Rhein im Westen Deutschlands und frühere Bundeshauptstadt. Die Krankenschwester aus den Philippinen hatte sechs Jahre Berufserfahrung und einen B1-Sprachzertifikat für die "Mittelstufe Deutsch" im Gepäck.

Bevor sie ihre Heimat verließ, um eine Stelle als Krankenschwester am Universitätsklinikum Bonn (UKB) anzutreten, hatte Custodio in Vollzeit Deutsch gelernt, um die für die Arbeit im Krankenhaus erforderlichen Sprachkenntnisse zu erwerben.

Trotz ihres Zertifikats hatte sie aber immer noch Schwierigkeiten, Deutsch zu sprechen und zu verstehen, was sich am Arbeitsplatz als Hürde erwies. B1 ist ein Zertifikat der "Mittelstufe". Man kann sich im Alltag unterhalten. Erst mit dem Niveau C2 spricht man fast perfekt Deutsch. Davor muss sie noch die Hürde für B2 und C1 nehmen.

Deutsch ist "echt schwer"

Deutsch ist laut UNESCO unter den zehn am schwierigsten zu erlernenden Sprachen der Welt. "Als ich hierher zog, fühlte ich mich auf der Straße sicher. Aber ich hatte Angst, bei der Arbeit ans Telefon zu gehen", sagt Custodio, die aus Quezon City auf den Philippinen stammt. "Die Sprache war hart, wirklich hart. In jeder Schicht schrieb ich Wörter auf, die ich nicht kannte, und lernte die Bedeutung zu Hause."

Custodio gehörte zu der dritten Gruppe von Pflegekräften, die in Bonn eintrafen, als das UKB begann, qualifiziertes medizinisches Personal von den Philippinen zu rekrutieren, um den Fachkräftemangel in Deutschland auszugleichen.

Das Krankenhaus beschäftigt heute rund 740 ausländische Pflegekräfte, von denen 300 von den Philippinen stammen. Wie Custodio haben auch viele dieser philippinischen Krankenschwestern und Krankenpfleger am UKB Schwierigkeiten, Deutsch zu sprechen und zu verstehen.

Joel Licay, der als Krankenpfleger am UKB arbeitet, klagt, dass er nach zwei Monaten in Deutschland wegen der Sprachbarriere deprimiert geworden sei.

"Einige Patienten sagten mir, ich sei dumm, weil ich die Sprache nicht könne. Ich habe jeden Tag geweint", sagte er und fügte hinzu, dass er frustriert war, nicht in der Lage zu sein, mit Kollegen sowie Patienten und ihren Angehörigen zu kommunizieren.

Als er vor fünf Jahren anfing, auf einer der UKB-Stationen zu arbeiten, musste Licay noch von jemanden mit fortgeschrittenen Deutschkenntnissen begleitet werden, um effektiv mit den Patienten kommunizieren zu können.

Noch heute verbringt er seine Zeit damit, an seinem Deutsch zu feilen, wenn er von der Arbeit nach Hause kommt. Seine Bemühungen haben sich aber ausgezahlt. Er ist nun auf dem besten Weg, das C1-Niveau zu erreichen.

Kulturschock in Deutschland

Die Herausforderung, sich auf Deutsch zu verständigen, sei eine "weltweite Barriere", so Maria Hesterberg, Leiterin der Personalrekrutierung für die UKB, weil es nicht die einfachste Sprache sei, die man lernen könne. Sie und ihre Kollegen hätten festgestellt, dass ihre ausländischen Pflegekräfte oft Schwierigkeiten mit der Sprache hatten.

Und die Sprachanforderungen, um in Deutschland als Krankenschwester oder Krankenpfleger zu arbeiten, wurden von B1 auf B2 angehoben, was die Schwierigkeiten für sie noch verschärft. B2 gilt als gehobene Mittelstufe.

Viele Pflegekräfte auf den Philippinen, die eine Karriere in Deutschland ins Auge gefasst hatten, brachen ihre Anfängerkurse ab, sagte Steffen Zoller, Gründer von CWC (Care With Care) Recruitment.

Und kulturelle Unterschiede können die Sprachbarriere noch verstärken. Viele Ausländer nehmen Deutsche als offen in ihrer Kommunikation wahr, während Menschen aus anderen Ländern Dinge vielleicht nicht so direkt sagen.

"Die Deutschen kommunizieren direkt. Wir sind sehr offen. Und das ist etwas, woran die Filipinos nicht gewöhnt sind. Wir haben gelernt, dass es auf den Philippinen am Anfang sehr unüblich ist, eine Frage mit 'Nein' zu beantworten", sagte Hesterberg.

Sie fügte hinzu, dass sie dies in Informationsveranstaltungen diskutieren müssten, und erklärte, dass "Nein" zu sagen nichts Persönliches sei. Sie haben auch die Krankenschwestern und Krankenpfleger ermutigt, proaktiv Fragen zu stellen, unabhängig davon, mit wem sie kommunizieren.

Den Weg nach Deutschland ebnen

Zoller fügte hinzu, dass CWC Recruitment, das rund 700 philippinische Krankenschwestern und Krankpfleger in ganz Deutschland einsetzt, auch über ein Integrationsteam verfügt, das die ankommenden Gesundheitsfachkräfte auf ihren großen Umzug in das Land vorbereitet.

Die Philippinen sind für Deutschland eine wichtige Quelle von Fachkräften. Und Ihre Gehälter in Deutschland sind eine wichtige Einkommensquelle für ihre Familien in der Heimat.

Zoller sagte, dass immer mehr philippinische Pflegekräfte Interesse hätten, nach Deutschland umzuziehen, das immer mehr Wege für Fachkräfte eröffne.

Seit 2017 hat das UKB immer mehr ausländische Pflegekräfte eingestellt. Sie kommen nicht nur von den Philippinen, sondern auch aus Serbien, Bosnien und Herzegowina, Mexiko und Argentinien. Bis 2027 hat das UKB rund 1.000 weitere Pflegestellen zu besetzen.

Zoller sagte, dass Deutschland trotz der Sprachprobleme im Gegensatz zu anderen Ländern oft als dauerhaftes Ziel für philippinische Pflegekräfte angesehen werde, die auswandern wollen.

"Ich sehe, dass ich hier alt werde", sagte der Krankenpfleger Licay. Seine Pflegekollegin Custodio ist sich da noch nicht so sicher.

Aus dem Englischen adaptiert von Florian Weigand

Short teaser Philippinische Pflegekräfte sind in Deutschland sehr gefragt, haben aber Schwierigkeiten beim Deutschlernen.
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Image caption Die philippinische Krankenschwester Elaine Custodio arbeitet seit sechs Jahren in der Urologie des Universitätsklinikum Bonn (UKB)
Image source Nikka Valenzuela/DW
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Item 5
Id 68978480
Date 2024-05-02
Title Griff nach den Medien: Slowakei will öffentlich-rechtlichen Rundfunk an die Leine legen
Short title Die slowakische Regierung greift nach den Medien
Teaser Die populistische Regierungskoalition der Slowakei unter Ministerpräsident Robert Fico hat die Axt an die unabhängigen Medien gelegt. Im Visier hat sie nicht nur den öffentlich-rechtlichen Rundfunk.

Sie kamen ganz in Schwarz: Journalisten, Techniker und Verwaltungsangestellte der öffentlich-rechtlichen Rundfunk- und Fernsehanstalt der Slowakei RTVS. Sie trugen am Donnerstag vergangener Woche (25.04.2024) ihren Sender symbolisch zu Grabe. Auch mehrere Online-Beiträge veröffentlichten sie an diesem Tag ganz ohne Farbe, nur in Schwarz-Weiß.

Damit protestierten sie gegen einen Beschluss der Regierung von Ministerpräsident Robert Fico vom Vortag, der nichts weniger bedeutet als die Auflösung von RTVS. In- und ausländische Journalistenverbände sowie die Europäische Rundfunk-Union EBU laufen dagegen Sturm. In der Slowakei gehen tausende Menschen seit Wochen gegen das geplante Mediengesetz auf die Straßen. Der Gesetzentwurf sieht auch schon einen neuen Namen für das Nachfolge-Medium vor: STVR.

Was wie eine harmlose Umsortierung der Buchstaben aussieht, verrät in Wirklichkeit die Stoßrichtung des Gesetzesvorhabens. Der Sender soll Staatsrundfunk werden. Das S für die Slowakei am Ende der Buchstabenreihe des alten Namens sei eine "Herabwürdigung der Nation", argumentiert Martina Simkovicova von der Nationalpartei und Ressortchefin im Kulturministerium. Deshalb müsse der Name der Nation zukünftig nach vorn gerückt werden. Der Griff nach den unabhängigen Medien ist im 5,5-Millionen-Staat Slowakei der jüngste politische Vorstoß des Populisten Fico, der seit Herbst vergangenen Jahres erneut als Ministerpräsident amtiert.

Fico will Medien unter seine Kontrolle bringen

Der Gesetzentwurf nach ungarischem Vorbild kam unmittelbar vor dem Internationalen Tag der Pressefreiheit (03.05.). Der Tag erinnert an Verletzungen der Medienfreiheit und an die grundlegende Bedeutung freier Berichterstattung als Existenzgrundlage von Demokratien. Medien, die Ficos Politik kritisch gegenüberstehen, waren dem Premier schon lange ein Dorn im Auge. Er und seine nur noch dem Namen nach sozialdemokratische Partei Smer-SD, verfolgen einen offen nationalistischen Kurs. Zu seiner Dreiparteien-Regierung zählt auch die ultrarechte slowakische Nationalpartei (SNS). Fico und andere Regierungsmitglieder bedienen sich unverhohlen einer aggressiven Rhetorik. RTVS sei "antislowakisch" und betreibe "illegale" Aktivitäten, wobei unklar bleibt, was damit gemeint ist. Aussagen wie diese spiegeln das Gegenteil dessen wider, was die Mehrheit der slowakischen Bevölkerung denkt. Sie hält RTVS seit Jahren für das vertrauenswürdigste Medium des Landes. Fico, der zum vierten Mal Regierungschef ist, wirft dem Sender hingegen vor, "zu regierungskritisch" zu sein.

Der Rundfunkchef wehrt sich

Das geplante neue Mediengesetz ist der Hebel, um den Chef des Rundfunks, Lubos Machaj, loszuwerden. Der Generaldirektor von RTVS ist erst seit 2022 im Amt und zusammen mit seinem Führungsteam für fünf Jahre gewählt. Er soll aber durch einen Nachfolger abgelöst werden, den ein neunköpfiges Gremium bestimmt. Dies besteht aus vier Mitgliedern der Regierung und fünf aus dem Parlament, in dem die Fico-Koalition eine knappe Mehrheit stellt. Der Neue auf dem Chefstuhl soll, wenn er im Amt ist, das Lied der Regierung singen. Ohne die Auflösung von RTVS wäre das nicht möglich.

Bislang sei ihm nichts vorgelegt worden, was den Vorwurf belege, nicht objektiv zu berichten, so Machaj in einem Interview. Schon längst habe "die aktuelle Regierungsnomenklatur damit begonnen, alternative Medien zu bevorzugen".

In der Tat: Ministerien wurden angehalten, den Sender zu boykottieren. Nicht nur RTVS steht unter Beschuss, sondern auch private Medien, die es wagen, regierungskritisch zu berichten. Dazu zählen die Zeitungen Dennik N und SME sowie das Portal Aktuality.

Der Fall Jan Kuciak

Für Letzteres arbeitete der Investigativ-Journalist Jan Kuciak. Er hatte bis 2018 zu Verstrickungen der damaligen Fico-Regierung mit der Italienischen Mafia recherchiert. Seine Enthüllungen über kriminelle Machenschaften kosteten ihn und seine Verlobte das Leben. Sie wurden am 21.02.2018 von Auftragskillern ermordet. Mutmaßlicher Auftraggeber war der slowakische Geschäftsmann Marian Kocner.

Was folgte, waren tiefe öffentliche Erschütterung und ein politisches Erdbeben. Die Slowakei erlebte damals die größten Massendemonstrationen gegen die Regierung. Fico geriet unter Druck und musste zurücktreten - eine Zäsur, aber nicht sein politisches Ende.

Der Mord an Jan Kuciak geriet zwischen 2020 und 2023 durch die Pandemie, den Krieg gegen die Ukraine, die Energiekrise und die Inflation mehr und mehr in den Hintergrund. Insbesondere Russlands Angriff auf die Ukraine führte zu einer tiefen Spaltung der slowakischen Bevölkerung, die sich in etwa zu gleichen Teilen als prowestlich und als prorussisch bekennt.

Medienfreiheit in Gefahr

Eine aktuelle Ergebung zur Pressefreiheit des "Committee for Editorial Independence", einer Arbeitsgruppe des tschechischen Medienunternehmen Economia, sieht die Slowakei inzwischen als das Problemland Nummer Eins unter den vier Visegrad-Staaten (Polen, Slowakei, Tschechien, Ungarn) . 65 Prozent der für die Studie Befragten gaben an, dass sie um die Medienfreiheit in ihrem Land fürchteten. Noch vor zwei Jahren hatten sich weniger als die Hälfte Sorgen gemacht. Die Slowakei, seit 20 Jahren EU- und NATO-Mitglied, ist nicht nur medienpolitisch auf dem Weg in die internationale Isolation. Außenpolitisch hat das Land seit Amtsbeginn Ficos prorussische Töne angeschlagen und die staatliche Militärhilfe für den östlichen Nachbarn Ukraine gestoppt.

Mit einer umstrittenen Justizreform und der Auflösung der Sonderstaatsanwaltschaft gegen Korruption legte die Regierung Anfang des Jahres nach. Ein Geschenk für alle in Korruption Verstrickten, so die Opposition.

Funkstille zwischen Prag und Bratislava

Die Konsequenzen der Reform sind eine geringere Strafen für Korruptionsdelikte und verkürzte Verjährungsfristen, eine Maßnahme, auf die die EU mit einer Protest-Resolution reagierte. Der geografisch und historisch engste Partner der Slowakei, Tschechien, ging noch einen Schritt weiter. Die gemeinsamen Regierungssitzungen Prags und Bratislavas sind vorerst ausgesetzt.

Jetzt also wird die Axt an die Pressefreiheit angelegt. Das geplante Mediengesetz soll bis Juni im Parlament mit der knappen Mehrheit der Regierungskoalition verabschiedet werden - noch vor der Sommerpause. Man werde die Medienentwicklung in der Slowakei beobachten und den Gesetzestext genau analysieren, heißt es dazu mahnend aus Brüssel.

Short teaser Die slowakische Regierung will mit einem neuen Mediengesetz den öffentlich-rechtlichen Rundfunk kontrollieren.
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Image caption Proteste in Bratislava gegen die geplante Auflösung des öffentlichen Rundfunks RTVS
Image source Jaroslav Novák/dpa/TASR/picture alliance
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Item 6
Id 68971733
Date 2024-05-02
Title Robert Habeck will Pharma-Industrie in Deutschland stärken
Short title Robert Habeck will Pharma-Industrie in Deutschland stärken
Teaser Wirtschaftsminister Habeck besucht zwei Tage lang Pharma-Unternehmen in Deutschland. Dabei hört er von Problemen bei Lieferketten und Bürokratie.

Gar nicht so leicht, das Firmengelände des Pharma- und Chemie-Riesen Merck in Darmstadt zu besuchen. Eine gründliche Sicherheitsüberprüfung - online oder vor Ort - ist notwendig, in den Werkhallen tragen die Besucher dann Kittel, Schutzbrille und manchmal sogar Helme. Deutschlands Wirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck von den Grünen hat das trotzdem auf sich genommen und verteilt erst einmal Lob an die Branche allgemein: "Wir alle nutzen Medikamente, oft täglich. Aber wenn man über die Pharma-Industrie redet, dann heißt es oft: Das sind doch die mit den Tierversuchen, mit all der Chemie. Dabei sind auch sie das starke Deutschland." Die Merck-Chefs um den Geschäftsführer Technik, Kai Beckmann, hören das natürlich gern. 63.000 Menschen in mehr als 60 Ländern arbeiten für das Unternehmen, das 300.000 Produkte herstellt. Neben Medikamenten auch technische Produkte wie Halbleiter.

Weniger Energiebedarf, hoher Forschungsanteil

Zwei Tage Zeit hat sich Habeck genommen, um insgesamt fünf Unternehmen, Start-Ups und Gründerzentren, rund um das Thema Pharma zu besuchen. Rund acht Milliarden Euro werden in der Branche in Deutschland im Jahr investiert, rund 120.000 Menschen arbeiten in diesem Bereich. Die Energiekosten machen einen eher kleinen Anteil aus, entsprechend weniger wird in den Unternehmen seit dem Überfall Russlands auf die Ukraine und dem Ende der Lieferung russischen Gases über die hohen Belastungen geklagt. Dafür ist der Forschungsanteil hoch, und Habeck hört Beschwerden über den Mangel an Fachkräften und über eine stetig zunehmende Bürokratie.

Ein Beispiel nennen die Merck-Verantwortlichen: Sie präsentieren dem Minister eine High-Tech-Anlage, die gleich mehrere Produkte herstellen kann, indem nur wenige Teile ausgetauscht werden müssen. Modules Arbeiten wird das genannt. Aber bei jeder noch so kleinen Änderung muss die komplette Anlage neu genehmigt werden, was jeweils bis zu neun Monate dauert. Deutschland im Jahr 2024. Trotzdem gab es zuletzt auch positive Nachrichten, etwa, als der US-Konzern Eli Lilly in Alzey in Rheinland-Pfalz mit dem Bau einer Fabrik begann, in der Abnehm-Spritzen hergestellt werden sollen. Investitionssumme 2,7 Milliarden Euro.

Arzneimittelmangel: Folge des globalen Handels

Das ist ein gutes Zeichen, findet Habeck, denn oft genug laufe es andersherum: Habeck sagt der DW: "Immer dann, wenn Produkte etwa zehn Jahre am Markt waren, Massenware wurden, also günstig ohne Patente irgendwo produziert werden konnten, ist die Produktion häufig abgewandert in andere Länder, in denen Arbeit und die Umweltbedingungen möglicherweise günstiger sind." Die Menschen in Deutschland spüren das gerade, wenn es plötzlich Mangel an bestimmten Medikamenten gibt, weil die vielen globalen Krisen die Lieferketten einschränken oder verzögern. Medikamente, die oft in Deutschland entwickelt wurden, nun woanders produziert werden und im Land selbst nicht verfügbar sind.

Habeck will solche Produktionen zumindest teilweise wieder nach Deutschland holen: "Wenn man sie dann wieder hierher holen will, dann wird man dafür einen gewissen Preis zahlen müssen. Das ist dann der Preis der Sicherheit." Aber die Unternehmen hätten ihre Umsätze in den vergangenen 20 Jahren mehr als verdoppelt. Habeck: "Die Entwicklung von neuen Produkten, die Forschung und die Start-Up-Unternehmen in dem Bereich an den Markt zu bringen, da hat Deutschland wirklich eine sehr starke Ausgangsposition."

Vom langen Weg bis zum fertigen Medikament

Ein solches neues Produkt stellt das Start-Up-Unternehmen Zedira in Darmstadt her. Die Firma ist ein gutes Beispiel dafür, wie lange es dauert, von der Idee über die Entwicklung bis zum Produkt zu kommen. Zedira entwickelt Vorprodukte für Medikamente gegen Gluten-Unverträglichkeit, an der allein in Deutschland nach Firmenangaben bis zu eine Million Menschen leiden. 2007 wurde das Unternehmen gegründet, es wird auch vom Wirtschaftsministerium gefördert. 2015 gab es erste klinische Studien, am Ende des Jahrzehnts, so hoffen die Unternehmensleiter, kann der Wirkstoff zur Verfügung stehen. Geschäftsführer Ralf Pasternack sagt: "Klar, das dauert alles ewig und kostet am Ende viel mehr, als man zunächst annimmt." Schwierig seien auch der Preisdruck und die Zulassung durch die Krankenkassen.

Eine Milliarde Tabletten im Jahr

High-Tech und Tradition gleichzeitig begegnen Habeck dann beim Besuch des Pharma- und Biotech-Unternehmens B. Braun in Melsungen in Hessen. Vor 185 Jahren gegründet und noch immer in Familienbesitz, eröffnet das Unternehmen schon bald ein neues Werk, in dem Produkte für die Infusionstherapie hergestellt werden. Und wenn alles funktioniert, folgt 2025 eines, in dem unter anderem Maschinen für die Dialyse gebaut werden sollen. Investitionssumme insgesamt: rund 60 Millionen Euro. Aus lauter Heimatliebe, so Firmenchefin Anna Maria Braun, sei die Entscheidung für den Standort Melsungen aber nicht gefallen. Hauptgrund war vielmehr die große Erfahrung der bereits jetzt hier arbeitenden rund 7000 Menschen. Aber der Fachkräftemangel macht auch ihr Sorgen.

Habeck will sich für "Versorgungsgipfel" einsetzen

Welche Probleme die globalen Lieferketten oft bereiten, erfährt der Grünen-Politiker dann in Barleben bei Magdeburg in Sachsen-Anhalt. Wieder Kittel und Brillen und diesmal sogar Sicherheitsschuhe: Die Firma Salutas, Tochter des Schweizer Konzerns Sandoz, fertigt hier "eine Milliarde Tabletten im Jahr", wie eine Mitarbeiterin stolz berichtet. Aber der Chef, Thomas Weigold, fordert einen "Versorgungsgipfel" der Regierung, weil es immer wieder zu Engpässen bei der Medikamenten-Versorgung in Deutschland komme. Vor allem, weil die meisten Produkte in Asien hergestellt werden. "Nur noch sieben Prozent der Umsätze machen die deutschen Unternehmen auf dem heimischen Markt", sagt er. Schon in anderen europäischen Ländern liege dieser Anteil bei 30 Prozent. Habeck will die Idee für einen "Versorgungsgipfel" mit ins Bundeskabinett nach Berlin nehmen. Und fordert während seiner Pharma-Reise, beeindruckt von den hohen Summen, um die es hier geht, ein "wuchtiges" Steuer-Entlastungsprogramm für die Wirtschaft. Dazu müsse man dann die Schuldenbremse des Grundgesetzes reformieren. Dafür aber, dass weiß auch der Wirtschaftsminister, fehlt es zurzeit an der notwendigen Zwei-Drittel-Mehrheit im Parlament.

Short teaser Der Wirtschaftsminister besucht Firmen der Pharma-Branche - und hört von Problemen bei Lieferketten und Bürokratie.
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Image caption Zwei Tage im Kittel und mit Schutzbrille: Wirtschaftsminister Robert Habeck beim Besuch des Biotechnologie-Unternehmens Zedira in Darmstadt
Image source Helmut Fricke/dpa/picture alliance
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Item 7
Id 68972546
Date 2024-05-02
Title Kupfer - das rote Gold der Digitalisierung
Short title Kupfer - das rote Gold der Digitalisierung
Teaser Viele Rohstoffexperten sehen den Kupferhandel vor einem "Superzyklus". Denn für die Abkehr von der mit fossilen Energieträgern betriebenen zu einer klimaneutralen Wirtschaft braucht man vor allem eines: Kupfer.

Lange schwankte der Kupferpreis an den Märkten nur unwesentlich und spielte für Investoren keine große Rolle. Das scheint sich gerade zu ändern. Seit April kratzt das rote Metall hartnäckig an der Marke von 10.000 US-Dollar pro Tonne. Bis dahin hatte es eine verlässliche Korrelation von globalem Wirtschaftswachstum und Kupfernachfrage gegeben. Doch jetzt steigt die Nachfrage trotz weltweit schwächelnder Wachstumsdaten ganz erheblich.

Der Preis für den wichtigen Rohstoff an der London Metal Exchange stieg zum 1. Mai um bis zu 1,7 Prozent auf 10.033,50 Dollar pro Tonne. Damit war er so teuer wie seit April 2022 nicht mehr. "Indexfonds und börsengehandelte Fonds schieben das Geld von Privatkunden in den Metallmarkt", erläuterte Sandeep Daga vom Analysehauses Metal Intelligence Centre der Nachrichtenagentur Reuters.

Wofür Kupfer gebraucht wird

Wenn man die Energieerzeugung vom Verbrauch fossiler Brennstoffe entkoppeln will, geht das nur über eine Elektrifizierung der Wirtschaft - und für die ist das rote Metall unverzichtbar: "Kupfer ist aufgrund seiner physikalischen Eigenschaften - vor allem seiner elektrischen Leitfähigkeit - der wichtigste Rohstoff für die Energiewende", so Joachim Berlebach von Earth Resource Investments in Zürich der DW. "Wollen wir wirklich raus aus den fossilen Brennstoffen, bräuchten wir in den nächsten drei Jahrzehnten etwa die gleiche Kupfermenge wie in der gesamten bisherigen Menschheitsgeschichte."

Michael Widmer, Rohstoffstratege bei der Bank of America (BofA), wies in der Zeitung Handelsblatt ebenfalls auf die Dekarbonisierung der Wirtschaft als Hauptgrund für den Preisanstieg hin: "Kupfer wird in nahezu jeder Branche verwendet und gilt deshalb als Konjunkturindikator."

Es gibt nicht genügend Kupferminen

Doch nicht nur die Nachfrage steigt, das Angebot stagniert oder sinkt sogar, was die Preise ebenfalls in die Höhe treibt. Rohstoffexperte Berlebach wundert das nicht: "Aufgrund der fehlenden Investitionen in neue Minen über die letzten zehn Jahre, gibt es nicht genug Kupferminen."

Fehlende Investitionen beklagt auch der BofA-Analyst. Anhand der Daten, die die Internationale Energieagentur (IEA) erhoben hat, so Widmer, "können wir schätzen, wie hoch die jährliche Kupfernachfrage bis 2050 sein wird. Dann können wir berechnen, wie viel wir in neue Minen investieren müssen: mindestens 127 Milliarden Dollar pro Jahr. Im vergangenen Jahr waren es aber nur 104 Milliarden Dollar. Seit 2012 sind die Investitionen immer weiter gesunken."

Neue Minen stoßen oft auf Widerstand

Doch damit nicht genug, ist das Problem auch nicht schnell zu lösen, sagt Berlebach: "Selbst wenn der Kupferpreis weiter steigen würde, könnte die Produktion nicht schnell hochgefahren werden, da es vom ersten Bohrloch bis zur Produktion bis zu 15 Jahre dauert. Aufgrund der fallenden Erzgehalte müssen die neuen Minen auch grösser konzipiert werden."

Neue Minen aber, so Michael Widmer, stießen oft auf Widerstand, denn "der Abbau von Kupfer belastet die Umwelt." Dem Handelsblatt gegenüber weist er auf ein Beispiel aus Zentralamerika hin: Im vergangenen Jahr habe das Bergbauunternehmen First Quantum die größte Kupfermine des Landes schließen müssen: "Zunächst gab es nur einen Konflikt zwischen der Regierung und First Quantum. Dann kamen die Proteste der lokalen Bevölkerung dazu. Letztlich hat die Regierung die Mine geschlossen und gesagt, dass sie auch nicht mehr an den Markt kommen wird."

Kupfergewinnung in Deutschland lohnt sich nicht

Wenn es um Erze oder Metalle geht, ist immer wieder der Hinweis zu hören, diesen oder jenen Rohstoff gäbe es ja auch hier, man müsse ihn nur ans Tageslicht holen. Joachim Berlebach sieht das nicht so. Kupfergewinnung in Deutschland sei unwirtschaftlich, vergleichsweise unergiebig und "nur theoretisch" möglich.

"Bergbau in großem Maße ist in Deutschland wegen fehlender großer Lagerstätten und lange dauernden bürokratischen Prozessen meines Erachtens nicht möglich. Wir sind von den Lagerstätten in Südamerika oder im Kongo abhängig." Seine Antwort auf unsere Frage, ob Deutschland seine Importabhängigkeit beim Kupfer lösen könnte, beantwortet er daher knapp und eindeutig: "Nein!"

Und auf Kupfer, wo auch immer es herkommt, könne man nicht verzichten: "Sie können zwar Aluminium für Überlandleitungen benutzen, aber sobald sie eine Spule benötigen, wie in einer Windturbine oder einem E-Auto, kommen sie an Kupfer nicht vorbei. Aluminium hat nur etwa 65 Prozent der Leitfähigkeit von Kupfer, die Kabel werden zu dick."

Das hohen Kupferpreise bleibt erstmal

Bank-of-America-Analyst Michael Widmer hält das hohe Preisniveau für dauerhaft. "Natürlich kann es zu kurzfristigen Korrekturen kommen, aber langfristig sehe ich steigende Preise", so Widmer im Handelsblatt. Das Metall stehe vor einem wohl lang anhaltendem sogenannten "Superzyklus".

Auch Joachim Berlebach rechnet nicht mit sinkenden Preisen: "Aktuell weisen die Future Markets auf steigende Preise hin. Die Engpässe bei den Minenbetreibern sind auf Rekordhoch." Gleichzeitig steckten die Kosten die Aufbereitung und Weiterverarbeitung des Metalls "auf einem Rekordtiefpunkt".

Gleichzeitig gibt es aber auch Meldungen wie diese: Die norwegische Regierung bereitet den Beginn des Tiefseebergbaus vor der Küste des Landes vor. Schon Anfang 2023 hatte die zuständige Offshore-Behörde berichtet, in norwegischen Gewässern befänden sich "beachtliche Mengen an Bodenschätzen". Nicht nur Zink und Kobalt, sondern auch Kupfer. Doch dass dies den aktuellen Hunger nach dem roten Gold stillen kann, scheint ausgeschlossen.

Short teaser Für den klimafreundlichen Umbau der Wirtschaft braucht man vor allem einen Rohstoff: Kupfer.
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Image caption Gefragtes Metall, unerläßlich für die Energiewende: Kupfer
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Item 8
Id 68972633
Date 2024-05-02
Title Kann sich die EU die neue Osterweiterung leisten?
Short title Kann sich die EU die neue Osterweiterung leisten?
Teaser Der Angriff Russlands auf die Ukraine hat die Osterweiterung der EU wieder an die Spitze der Brüsseler Agenda gerückt. Doch die Beitritte würden den EU-Haushalt belasten. Vor allem der der Ukraine.

"Keine Bauern mehr, kein Brot mehr" war ein beliebter Slogan während der zahllosen Straßenblockaden, die Bauern im vergangenen Winter in Polen organisierten. Sie wollten verhindern, dass billiges ukrainisches Getreide ins Land gelangt.

Die Landwirte befürchten, dass der EU-Beitritt des östlichen Nachbarn Polens ihre Existenz bedrohen könnte. "Sie müssen es vergessen. Das ist eine verrückte Idee", sagte einer der protestierenden Bauern während der Blockade im Gespräch mit der DW.

Mehr als ein Jahrzehnt lang schien die Europäische Union ein geschlossener Club zu sein, vor dem Länder - vor allem auf dem Westbalkan - Schlange standen, um aufgenommen zu werden. Doch mit dem Einmarsch Russlands in die Ukraine hat sich das grundlegend geändert. Im Dezember nahm die EU Beitrittsgespräche mit der Ukraine und der Republik Moldau auf und gewährte Georgien den Kandidatenstatus.

Politisches Anliegen stößt auf Haushaltszwänge

"Aus offensichtlichen Gründen betrachtet die EU die Erweiterung jetzt als Sicherheitsinstrument", sagt Thu Nguyen, stellvertretende Direktorin der unabhängigen Denkfabrik Jacques Delors Centre in Berlin, im Gespräch mit der DW. "Aber der EU-Haushalt ist Teil der Diskussionen, nur muss es nicht unbedingt der entscheidende Faktor sein."

Die jüngsten Proteste in Polen erinnern jedoch daran, dass die Wirtschaft ein unumstößlicher Teil des politischen Antriebes der EU ist. Im Haushalt der EU sind regionale Entwicklung und Landwirtschaft die größten Posten.

Darum geht Brüssels neuer Expansionseifer mit der Befürchtung einher, dass die Erweiterung für einige EU-Mitglieder und -Bürger wirtschaftliche Nachteile mit sich bringen könnte. Denn die weniger wohlhabenden Mitgliedstaaten bekommen mehr Geld aus den EU-Töpfen, als sie einzahlen. Die acht Länder, die derzeit für den Beitritt in Frage kommen, sind jedoch allesamt ärmer als die derzeitigen Mitgliedstaaten. Dies gilt auch für die Türkei, deren Beitrittsprozess seit 2018 ausgesetzt ist.

Hoffnung auf wirtschaftliche Besserung

Jasna Pejovic aus Montenegro glaubt, ihrem Staat würde die EU-Mitgliedschaft "mehr Legitimität" verleihen. Montenegro ist das Land, das in der Warteschlange für den EU-Beitritt am weitesten vorne liegt; und 80 Prozent seiner Bevölkerung sind für den Beitritt.

Im Büro ihres E-Learning-Startups "Flourish" in der Hauptstadt Podgorica sagt Jasna der DW, es wäre ein Gütesiegel für ihr Unternehmen, wenn sie EU-Bürgerin wäre: "Investoren sagen: 'Wir haben nie Geschäfte mit Montenegro gemacht, und wir wissen nicht, wie wir das machen sollen.' Ich fragte sie: 'Wäre das anders, wenn wir Teil der Europäischen Union wären?' Und sie sagen: 'Ja, es wäre anders.' Weil sie über die Europäische Union Bescheid wissen."

Mit nur 630.000 Einwohnern ist Montenegro ein kleines Land wie viele andere auf dem Westbalkan. Sein Beitritt wäre keine große Belastung für den EU-Haushalt, sagt Nathalie Tocci, die bereits zwei ehemalige EU-Außenbeauftragte beraten hat. "Wenn die EU morgen früh Montenegro aufnehmen und dafür bezahlen würde: Niemand würde es bemerken." Andererseits habe die EU auch keinen wirtschaftlichen Vorteil davon.

Auch Mila Kasalica, Ökonomin und Finanzchefin der Gemeinde Zeta in Montenegro, glaubt, dass die EU-Mitgliedschaft ihrem Land einen Wandel bescheren würde: "Wir haben etwa 45 bis 48 Prozent des Lebensstandards der EU-Länder. Das ist der große Traum im Beitrittsprozess: eine reale Annäherung an den Lebensstandard der EU."

Die Aufnahme der fünf Beitrittskandidaten auf dem westlichen Balkan würde Millionen von Menschen wirtschaftliche Chancen eröffnen, und das zu überschaubaren Kosten für die EU. Doch vier von ihnen haben diesen Status bereits seit mehr als einem Jahrzehnt.

Die Ukraine - der Elefant im Raum

Vor weitaus kürzerer Zeit ist ein neuer Kandidat für den EU-Beitritt am östlichen Horizont aufgetaucht: die Ukraine. Unter dem Druck der russischen Invasion im Februar 2022 erhielt es innerhalb desselben Jahres den Kandidatenstatus.

Aber der Beitritt des bevölkerungsreichsten - und ärmsten - aller Kandidatenländer wäre eine ganz andere Hausnummer, sagt Politikberaterin Tocci, "wegen seiner Größe, wegen seines Agrarsektors, wegen seines durchschnittlichen Wohlstands und vor allem, weil es ein Land ist, das sich im Krieg befindet und bereits mit 500 Milliarden US-Dollar (rund 470 Mrd. Euro, d.R.) für den Wiederaufbau kalkuliert." Sollte die Ukraine der EU beitreten, würde sie die EU-Finanzen mit Abstand am meisten belasten.

Außerdem wäre sie der größte Agrarproduzent des Wirtschaftsraums. Die Fläche des Ackerlandes der Ukraine beträgt mehr als 25 Prozent der Ackerfläche aller EU-Länder zusammen. Für die Landwirte in den derzeitigen Mitgliedstaaten würde dies einen unerwünschten Wettbewerb im Binnenmarkt bedeuten.

Polen zum Beispiel hat sich seit seinem Beitritt im Jahr 2004 zu einem der wettbewerbsfähigsten Lebensmittelproduzenten der EU entwickelt. Doch der industriellen Landwirtschaft der Ukraine mit weit niedrigeren Lohnkosten wären die polnischen Betriebe wohl kaum gewachsen, sagt Lukasz Czech, ein polnischer Getreide- und Schweinebauer aus Parczew, der einen Teil seines Einkommens aus EU-Subventionen bezieht: "Wir würden höchstwahrscheinlich bankrottgehen. Denn unsere Märkte würden leicht mit den viel billigeren Produkten aus der Ukraine überschwemmt werden."

Ukraine-Beitritt könnte Loch in den EU-Haushalt reißen

Laut einer internen Untersuchung des Europäischen Rates würde die Zulassung aller Beitrittskandidaten die EU 256 Milliarden Euro kosten, wobei allein die Ukraine über einen Zeitraum von sieben Jahren schätzungsweise 186 Milliarden Euro erhalten würde - die Wiederaufbaukosten nicht eingerechnet.

Thu Nguyen glaubt, dass "die finanziellen Auswirkungen nicht so hoch wären, wie einige der Zahlen vermuten lassen." Woher das zusätzliche Geld kommen soll, kann Thu Nguyen allerdings auch nicht genau sagen: "Es ist möglich, dass es aus den jetzigen Mitgliedstaaten kommt. Es ist möglich, dass die EU sich eigenes Geld aus neuen Quellen beschafft. Es gibt zum Beispiel Diskussionen über eine Plastiksteuer oder CO2-Anpassungsmechanismen."

Einige EU-Mitgliedstaaten treiben den Beitrittsprozess in einem noch nie dagewesenen Tempo voran. Ob ihnen das gelingt, hängt jedoch von der künftigen Zusammensetzung des neuen EU-Parlaments ab, das im Juni gewählt wird.

Short teaser Der Krieg in der Ukraine hat die EU-Erweiterung auf die Brüsseler Tagesordnung gesetzt.
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Image caption In vielen Teilen Polens haben Landwirte immer wieder gegen Getreideimporte aus der Ukraine demonstriert
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Item 9
Id 68975020
Date 2024-05-02
Title Georgiens umstrittenes NGO-Gesetz: Russland als Vorbild?
Short title Georgiens umstrittenes NGO-Gesetz: Russland als Vorbild?
Teaser Seit Wochen kommt es in Georgien immer wieder zu Protesten gegen ein geplantes NGO-Gesetz. Worum es dabei geht und warum es fatal an russische Verhältnisse erinnert. Anja Koch berichtet aus Tiflis.

Rusudan Djakeli hat in den vergangenen Tagen so gut wie keinen Abend zu Hause verbracht. Stattdessen steht sie fast jeden Abend auf der Straße, meist vor dem Parlament in Georgiens Hauptstadt Tiflis. Vor dem Gebäude im Zuckerbäckerstil an der belebten Rustaveli Avenue protestiert sie gegen die Regierung, zusammen mit tausenden, manchmal zehntausenden anderen.

"Ich bin hier, um mein Land zu verteidigen", sagt die 30-Jährige, denn ihre Heimat sieht sie in großer Gefahr. Grund dafür ist ein Gesetz, das die Regierung gerade durchs Parlament bringen will. Es sieht vor, dass sich Nichtregierungsorganisationen und Medien, die zu mehr als 20 Prozent aus dem Ausland finanziert werden, künftig registrieren müssen. "Russland greift uns an", sagt Rusudan, "nicht direkt, aber indirekt". Damit ist sie nicht allein: Auf vielen Bannern ist zu lesen: "No to Russian law" - "Nein zum russischen Gesetz". Wie aber kommen die Demonstranten auf diesen Vergleich, den die georgische Regierung zurückweist?

Russlands Gesetz über "ausländische Agenten"

Viele Georgier glauben, dass die Regierungspartei "Georgischer Traum" vom Kreml beeinflusst wird. Ihr Gründer und Ehrenvorsitzender Bidsina Iwanischwilli, der sein Milliarden-Vermögen in den 90er Jahren in Russland erwirtschaftet hat, verbreitete erst Anfang der Woche Verschwörungstheorien, die viele an die Rhetorik des russischen Präsidenten erinnern: Von einer "globalen Kriegspartei" war da die Rede, die "entscheidenden Einfluss in der NATO und in der EU habe".

Die Demonstranten sehen in dem Vorhaben außerdem Parallelen zu einem Gesetz, das 2012 in Russland verabschiedet wurde. "Sie wollen unserer Rechtssystem an das Moskaus anpassen, dieser Entwurf ist eine Kopie des russischen Gesetzes", sagt Rusudan Djakeli.

Tatsächlich hatte das russische Parlament damals bestimmt, dass sich Organisationen als "ausländische Agenten" bezeichnen müssen, sobald sie Geld aus dem Ausland erhalten. Der Entwurf der georgischen Regierung sieht eine Registrierung als "Organisation, die ausländische Interessen vertritt" vor, sofern mehr als 20 Prozent des Budgets aus anderen Ländern kommen.

"Das russische Gesetz war eine Stufe schärfer", sagt Marcel Röthig, Leiter des Regionalbüros Südkaukasus der Friedrich-Ebert-Stiftung, "aber beide Gesetze haben einen ähnlichen, verleumderischen Charakter." Das Argument der Regierung, dass mit der neuen Regelung mehr Transparenz geschaffen werde, weist Röthig zurück: "Eine Umweltschutzorganisation, die sich für Naturschutz einsetzt und dafür eine Zuwendung von einem ausländischen Partner bekommt, soll auf einmal ausländische Interessen vertreten. Oder ein freies Medium, das niemandes Interessen vertritt, wird dann auf einmal als Interessenvertreter ausländischer Mächte bezeichnet."

Gesetz könnte nur der erste Schritt sein

Dabei ist die Medienlandschaft in Georgien schon jetzt gespalten, in Sender, die regierungsnah sind und Steuergelder bekommen einerseits und in unabhängige, oft klamme Sender, andererseits. Wer frei berichtet, hat kaum Einnahmen durch Werbung und ist deshalb auf Geldgeber beispielsweise aus der EU oder den USA angewiesen. Ohne diese finanzielle Unterstützung müssten mehrere kritische Medien in Georgien ihre Arbeit wohl aufgeben.

Viele Demonstranten befürchten außerdem, dass die Regierung versuchen könnte, NGOs zu diskreditieren, die sich für Rechte für Minderheiten, etwa der LGBTQ-Community, einsetzen. Schon mehrfach haben Abgeordnete des "Georgischen Traums" von "LGBTQ-Propaganda" gesprochen, vor der man vor allem Jugendliche schützen müsse. Es gibt auch Befürchtungen, dass das Gesetz nur ein erster Schritt ist – und die Regierung im Laufe der Zeit die Maßnahmen immer weiter verschärft, so wie es der Kreml getan hat. Mittlerweile hat Moskau zahlreiche NGOs aufgelöst, etwa die Menschenrechtsorganisation "Memorial".

"In Russland haben wir das erlebt: Diese Gesetze waren damals der Anfang der Abwicklung der russischen Zivilgesellschaft", sagt Marcel Röthig. "Man vergiftet damit die Atmosphäre, denn Menschen, die sich zivilgesellschaftlich engagieren, haben möglicherweise Angst, stigmatisiert zu werden."

80 Prozent der Georgier wollen in die EU

Einen wesentlichen Unterschied aber gibt es zwischen der Situation in Georgien heute und der in Russland damals: Die Kaukasus-Republik hat die Perspektive, der EU beizutreten. Im vergangenen Jahr hat Georgien den Status eines Beitrittskandidaten erhalten. Das Gesetz würde konkrete Verhandlungen zur Aufnahme wohl vorerst unmöglich machen, doch in Umfragen sagen mehr als 80 Prozent der Georgier, dass sie den Beitritt wollen. Deshalb gehen Menschen wie Rusudan Djakeli jeden Abend auf die Straße. Und sie plant, das weiterhin zu tun – bis das Gesetz vom Tisch ist.

Short teaser Seit Wochen kommt es in Georgiens Hauptstadt Tiflis zu Protesten gegen ein geplantes NGO-Gesetz. Worum geht es?
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Image caption Protest in Georgiens Hauptstadt Tiflis gegen das geplante NGO-Gesetz
Image source Mirian Meladze/Anadolu/picture alliance
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Item 10
Id 68965301
Date 2024-05-01
Title EU vereinbart Migrationsabkommen mit dem Libanon
Short title EU vereinbart Migrationsabkommen mit dem Libanon
Teaser Die EU vereinbart mit dem Libanon, dass das Land mehr Flüchtlinge aus Syrien an der Weiterreise Richtung EU hindert. Im Gegenzug soll der Libanon Finanzhilfen in Milliardenhöhe bekommen. Doch es gibt auch Kritik.

Wie lässt sich die Zahl der Flüchtenden verringern, die auf eigene Faust versuchen, ohne Erlaubnis in die Europäische Union (EU) zu kommen? Die Antwort auf diese Frage beschäftigt die Staats- und Regierungschefs der EU seit Jahren. Ihre neueste Antwort darauf lautet: Mit Migrationsabkommen.

Nun ist Kommissionschefin Ursula von der Leyen gemeinsam mit dem Präsidenten von Zypern, Nikos Christodoulidis, nach Beirut gereist, um ein solches Abkommen mit dem Libanon zu schließen.

Christodoulidis hatte zuvor Alarm geschlagen: Sein Land sei "nicht länger in der Lage, noch mehr syrische Flüchtlinge aufzunehmen." Allein seit Anfang 2024 hätten rund 4000 Menschen irregulär die Insel im östlichen Mittelmeer erreicht - im ersten Quartal des Vorjahres seien es lediglich 78 gewesen. Die Flüchtlingslager seien überfüllt, erklärte Christodoulidis - erst kürzlich hatte er seine Behörden angewiesen, keine Asylanträge syrischer Flüchtlinge mehr zu bearbeiten.

Warum will die EU den Libanon unterstützen?

Seit Ausbruch des Bürgerkrieges in Syrien 2011 hat der Libanon mehr als 1,5 Millionen Flüchtlinge aus dem Nachbarland aufgenommen. Von Tripolis im Norden des Landes bis nach Larnaka auf Zypern sind es rund 200 Kilometer Luftlinie. Immer wieder versuchen syrische Flüchtlinge, diese Strecke per Boot zu überwinden.

Der Libanon selbst steckt in einer schweren Wirtschaftskrise; zudem sorgt sich Brüssel dass sich der Krieg im Gazastreifen auch auf den Libanon auswirken könnte - insbesondere, wenn der Konflikt zwischen der israelischen Armee und der radikalislamischen Hisbollah im Südlibanon eskalieren sollte. Dann, so die Sorge, könnten noch mehr Menschen aus dem Libanon in Richtung Europa fliehen.

In der vergangenen Woche hatte Libanons Premier Nadschib Mikati die EU aufgefordert, seinem Land bei der "Rückführung syrischer Flüchtlinge" zu helfen. Er forderte auch "mehr Unterstützung für die Streitkräfte und Sicherheitsdienste" sowie für "Entwicklungs- und Investitionsprojekte in den Bereichen erneuerbare Energien, Wasser und nachhaltige Entwicklung".

Migrationsabkommen: Geld für die Aufnahme Geflüchteter

Die EU ist bereit, dem Libanon hierbei unter die Arme zu greifen - und fordert als Gegenleistung, dass Beirut mehr dafür tut, Flüchtende von der Fahrt über das Mittelmeer abzuhalten. Ursula von der Leyen setzt dabei auch auf eine "freiwillige Rückkehr" von Menschen nach Syrien. Eine Milliarde Euro will sie Beirut zahlen - als "mehrjährige finanzielle und politische Unterstützung" bis 2027.

Solche Abkommen hat die EU bereits mit einigen Staaten Nordafrikas geschlossen: Dabei zahlt sie den wirtschaftlich angeschlagenen Staaten teilweise Milliarden. Verträge bestehen etwa mit Mauretanien oder Tunesien.

Erst Mitte März hatte die EU einen weiteren Deal mit Ägypten geschlossen. Demnach erhält Kairo innerhalb von vier Jahren 7,4 Milliarden Euro aus Brüssel - als Kredite, aber auch als Investitionen etwa in grüne Technologien oder in die Digitalisierung des Landes. Als Gegenleistung soll das Land stärker gegen Schlepper und Menschenhändler vorgehen und seine Grenzen zum Sudan und zu Libyen besser schützen.

Südeuropa fordert mehr Flüchtlingsdeals

Besonders Zyperns Präsident Christodoulidis hat das neue EU-Abkommen mit dem Libanon vorangetrieben. "Wir wollen dem Libanon helfen, mit den Flüchtlingen umzugehen, damit nicht noch mehr nach Zypern kommen", erklärte er vergangene Woche in einem Interview mit dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.

Christodoulidis bekommt breite Unterstützung aus anderen EU-Staaten an der Mittelmeerküste. Die Innenminister Spaniens, Griechenlands, Italiens, Maltas und eben auch Zyperns hatten vor einer Woche gemeinsam gefordert, dass die EU die Vereinbarungen mit wichtigen Herkunftsländern "erweitert und vertieft", um die "irreguläre Einwanderung einzudämmen".

Manche Staaten der EU drängen sogar darauf, Teile des vom Bürgerkrieg zerrissenen Syriens als "sichere Herkunftsregionen" zu deklarieren, um Geflüchtete dorthin zurückzuschicken.

"Europa macht sich mit Migrationsabkommen erpressbar"

Insbesondere Menschenrechtsorganisationen kritisieren das jedoch scharf. Internationale Organisationen wie Amnesty International haben in der Vergangenheit ausführlich dokumentiert, wie zurückgekehrte Flüchtlingen in Syrien getötet, gefoltert, vergewaltigt und willkürliche festgenommen wurden. Auch der Libanon selbst sei kein sicheres Land für syrische Flüchtlinge, warnt Fadel Abdul Ghany, der Leiter des Syrischen Netzwerkes für Menschenrechte. Die Flüchtlinge würden diskriminiert, ausgebeutet und teils zum Sündenbock für die verheerende wirtschaftliche Lage im Land gemacht, sagte Ghany der in London herausgegebenen Zeitung "The New Arab".

Der Grünen-Europaparlamentarier Erik Marquardt kritisiert die Migrationsabkommen als "unwürdige Geldkoffer-Politik", durch die sich Europa von "nicht verlässlichen Partnern" erpressbar mache. "Wenn es keine Kontrolle über die Verwendung von Geldern durch Diktatoren gibt, sollte es kein Geld geben", erklärte er mit Blick auf die Abkommen mit Tunesien und Ägypten. Zudem gehe es bei den Flüchtlingsdeals nicht darum, die Menschenrechtslage in den Vertragspartnerstaaten selbst zu verbessern.

Zwar ist der Libanon keine Diktatur. Aber er befindet sich nicht nur wirtschaftlich sondern auch politisch in einer tiefen Krise. Seit 2022 hat das Land keinen Präsidenten, der Regierungschef ist nur geschäftsführend im Amt. De facto hat die Hisbollah die Kontrolle über weite Landesteile übernommen. Ob die Interimsregierung tatsächlich garantieren kann, dass das Abkommen auch eingehalten wird und die EU-Gelder nicht versickern, ist ungewiss.

Zudem kritisierten Menschenrechtsorganisationen in der Vergangenheit wiederholt, dass Flüchtlinge durch solche Abkommen nicht von einer Überfahrt Richtung Europa abgehalten, sondern nur auf immer gefährlichere Routen abgedrängt würden.

Short teaser Der Libanon soll seinen Grenzschutz intensivieren. Dafür will die EU Finanzhilfen leisten. Doch es gibt auch Kritik.
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Image caption Flüchtlinge im Aufnahmezentrum Pournara nahe der Hauptstadt Nikosia auf Zypern
Image source Petros Karadjias/AP Photo/picture alliance
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Item 11
Id 68933304
Date 2024-05-01
Title 20 Jahre EU-Osterweiterung - wie geht's weiter?
Short title 20 Jahre EU-Osterweiterung - wie geht's weiter?
Teaser Die europäische Wiedervereinigung 2004 gelang. Bei der Aufnahme des Westbalkans und vor allem der Ukraine wird sich die EU schwerer tun. Bernd Riegert aus Brüssel.

"Big Bang" (Paukenschlag), diesen Spitznamen trägt die Erweiterung der Union um zehn Staaten am 1. Mai 2004 im EU-Jargon. Die Zahl der Mitgliedsstaaten stieg über Nacht von 15 auf 25. Der Kontinent war 15 Jahre nach dem Fall der Mauer und dem Ende der sowjetischen Vorherrschaft in Osteuropa wieder vereint. Mit Volksfesten und Feuerwerken, Festreden und dem Durchsägen von Schlagbäumen wurde vor 20 Jahren von Estland im Norden bis Slowenien im Süden gefeiert. Die Mittelmeerinseln Malta und Zypern wurden ebenfalls aufgenommen.

"Das war ein starkes Signal an Russland, aber nicht nur das. Es zeigte die Fähigkeit der EU, starke Entscheidungen zu fällen, sich zu erweitern und Bedingungen zu erfüllen. Das lief so positiv ab, weil es in der EU und in den Beitrittsländern die entsprechenden politischen Bedingungen gab, die günstiger waren, als sie es heute sind", meint Tefta Kelmendi von der Denkfabrik European Council on Foreign Relations in Brüssel.

Vereinigung ohne Alternative

Sowohl für die EU als auch für die zehn neuen Mitgliedstaaten war die Erweiterung eine gute Sache, sagt die EU-Expertin Kelmendi im Gespräch mit der DW. Das Wirtschaftswachstum in den beitretenden Ländern zog im europäischen Binnenmarkt an. Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Medienfreiheit wurden nach Untersuchungen der Bertelsmann-Stiftung, einem gesellschaftspolitischen Forschungsinstitut in Deutschland, gestärkt.

Ausnahmen bildeten Ungarn und Polen. Dort haben sich die Regierungen über Jahre von europäischen Werten entfernt. In Polen kehrt sich der Trend seit dem Regierungswechsel im vergangenen Jahr wieder um. Nach dem Transformationsindex der Bertelmann-Stiftung erreichen die baltischen Staaten, Tschechien, Slowenien und die Slowakei die Bestnote als "Demokratie in Konsolidierung". Polen und Ungarn werden als "defekte Demokratien" ausgewiesen.

Zur Erweiterung der EU 2004 und der etwas verzögerten Aufnahme Bulgariens (2007), Rumäniens (2007) und Kroatiens (2013) gab es keine Alternative, glaubt EU-Experte Hans Kribbe vom Brüsseler Institut für Geopolitik (BIG): "Es war unausweichlich das zu machen als Antwort auf historische Umbrüche und den Zerfall der Sowjetunion und des Ostblocks."

Zwei weitere Wellen erwartet

"Die EU-Kommission spielt natürlich ihre Rolle als jubelnde Anhängerin der Erweiterung", sagt Kribbe. Intern sei man sich aber bewusst, dass man aus der großen Erweiterungswelle auch Lehren für die Zukunft ziehen müsse. Vor allem habe die EU lernen müssen, dass sie aufnahmefähiger werden und ihre Verfahren und Abläufe verschlanken müsse. Bisher gebe es für eine solche Reform der heutigen Europäischen Union aber keinen Plan und keinen Zeithorizont.

Dabei stehen die nächsten Erweiterungen an. Sechs Staaten auf dem westlichen Balkan von Bosnien-Herzegowina bis Albanien sollen aufgenommen werden. Die Ukraine, Moldau und Georgien sind die jüngsten Beitrittskandidaten, die vor allem wegen der Bedrohung durch Russland ein Expressticket in die EU lösen könnten.

Den Westbalkan-Staaten wurde der Beitritt wieder und wieder versprochen. Heranführung, Verhandlungen, Anpassungen, all das hat nach den Bürgerkriegen im ehemaligen Jugoslawien Jahrzehnte in Anspruch genommen. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) wiederholt gerne, dass es jetzt an der Zeit sei, endlich zu handeln.

"Ich glaube nicht, dass es einen nächsten 'Big Bang' geben wird, das würde nicht funktionieren", sagt Tefta Kelmendi vom European Council on Foreign Relations. Die sechs Westbalkanländer seien in ihrer Entwicklung und Beitrittsfähigkeit zu unterschiedlich. Es werde eins nach dem andern aufgenommen werden, vermutet sie. Zuerst Albanien, Nordmazedonien und Montenegro. Serbien und Kosovo müssten ihren Streit um Staatlichkeit und Minderheiten beilegen.

Auf jeden Fall könne man nicht warten, bis die bilateralen Konflikte zwischen Serbien und Kosovo gelöst seien. Das hieße die anderen Länder zu Geiseln dieses Konflikts zu machen. "Die Art und Weise, mit der die EU versucht hat, die Erweiterungsperspektive zu nutzen, um bilaterale Probleme zu lösen, hat der Region nicht geholfen. Sie ist zu sehr auf Stabilisierung und nicht so sehr auf die wirtschaftliche Entwicklung fokussiert."

EU-Beitritt der Ukraine: eine große Herausforderung

Verglichen mit den Balkanstaaten wäre die Ukraine wirklich ein "Big Bang" für die Europäische Union. Mehr als 40 Millionen Menschen, ein riesiges Agrarland, das ärmste in Europa, zusätzlich belastet vom Krieg, dem Russland ihm aufgezwungen hat. Beitrittsverhandlungen sollen demnächst mit einer Regierungskonferenz beginnen.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ist sich sicher, dass die Ukraine in den europäischen Klub gehört. "Die Ukraine hat ihre europäische Wahl getroffen. Und sie wissen, was das bedeutet. Wir haben unsere ukrainische Wahl getroffen. Genauso wie wir vor vielen Jahren entschieden haben, so viele Staaten in unsere Union heimzuholen", sagte von der Leyen im Europäischen Parlament.

Die Aufnahme der Ukraine in die EU ist genauso unabweisbar wie die Aufnahme der zehn Staaten vor 20 Jahren, meint EU-Experte Hans Kribbe. Das Land wehre sich gegen Russland auch für Europa. "Die Ukraine macht die ganze Arbeit", aber am Ende müssten die Menschen in den alten EU-Staaten überzeugt werden, einer Erweiterung zuzustimmen. Dazu ist Einstimmigkeit unter den dann wahrscheinlich mehr als 30 Staaten nötig. In einigen müssen Referenden abgehalten werden.

Im Moment, so Kribbe, würden die wirklichen Probleme dieser Erweiterung nicht angesprochen, um die Europäer nicht zu verschrecken. "Das ist eine riskante Strategie. Irgendwann wird man sich der Realität stellen müssen." Denn die Ukraine-Aufnahme würde ein totales Umschichten im EU-Haushalt erfordern. Aus heutigen Netto-Empfängern von Zuschüssen und Fonds würden höchstwahrscheinlich Netto-Zahler, darunter wohl Polen und Ungarn.

Nicht aufhören zu träumen

Eine Vorhersage, wann die nächsten Beitritte kommen, sei schwierig, aber man müsse optimistisch bleiben, meint Jerzy Buzek. Der Pole ist Europaabgeordneter seit dem Beitritt seines Landes 2004. Von 1997 bis 2001 war er Regierungschef und bereitete Polens EU-Beitritt mit vor. "Als wir jung waren, schien das nicht reell, aber er (der Beitritt, Anm. d. Red.) wurde zu einer Tatsache. Das heißt, wir sollten träumen und an unseren Träumen hängen", sagte Buzek im Parlament mit Blick auf die nächsten Beitrittskandidaten.

Die Türkei, die seit 2005 mit der EU über eine Aufnahme verhandelt, werde wahrscheinlich nicht beitreten. Der autokratisch geführte Staat entfernt sich immer weiter von europäischen Werten, meint EU-Experte Krippe: "Das ist ein hoffnungsloser Fall, wenn es um den Beitritt geht." Trotzdem sollte die EU enge, bilaterale Beziehungen, eine privilegierte Partnerschaft anstreben, weil die Türkei eine geopolitische Schlüsselstellung innehabe, wenn es um die Abwehr Russlands und um Migrationsfragen gehe.

Short teaser Freudiger Blick zurück, gemischter Ausblick: Die nächsten Erweiterungsrunden werden für die EU nicht einfach.
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Image caption Feuerwerk über Bratislava: 2004 feierten die Slowaken, wie viele andere neue EU-Bürger, ihren EU-Beitritt
Image source Peter Meyer/dpa/picture alliance
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Item 12
Id 68963167
Date 2024-05-01
Title Warum Burkina Faso die Pressefreiheit einschränkt
Short title Warum Burkina Faso die Pressefreiheit einschränkt
Teaser Burkina Faso verbietet weiteren unabhängigen Medien die Berichterstattung, darunter auch der Deutschen Welle. Kritik an der Militärführung ist offenbar nicht mehr erwünscht.

Burkina Faso hat weitere internationale Medien suspendiert. Nachdem vergangene Woche schon die britische BBC und der US-Sender Voice of America suspendiert worden waren, sind jetzt auch die Deutsche Welle (DW), die französischen Medien TV5 Monde und "Le Monde" sowie die britische Zeitung "The Guardian" betroffen.

International riefen die jüngsten Entscheidungen Kritik hervor. "Die Sperrung bedeutet für die Menschen vor Ort, dass ihnen wichtige Möglichkeiten genommen werden, sich unabhängig zu informieren", sagte DW-Programmdirektorin Nadja Scholz - und betonte, dass die DW über Burkina Faso stets ausgewogen und faktenbasiert berichte. Aus Washington und London kam eine gemeinsame Regierungserklärung: "Eine gut informierte Öffentlichkeit bedeutet für eine Gesellschaft eine Stärkung, keine Schwächung." Die beiden Regierungen äußerten auch ihre "schwere Sorge" über die Tötung von Zivilisten im Antiterror-Kampf.

Grund für die Sperrung der Medien war die Berichterstattung über einen Bericht von Human Rights Watch. Darin wird die Armee Burkina Fasos beschuldigt, im Kampf gegen islamistische bewaffnete Gruppen auch Zivilisten zu töten. "Wir sind nicht überrascht über die jüngste Eskalation, denn sie folgt einem Muster von Unterdrückung und Feindseligkeit gegenüber Medien und insbesondere ausländischen Medien", sagt Muheeb Saeed, Leiter des Programms für Meinungsfreiheit bei der Media Foundation for West Africa (MFWA).

Seit Burkina Fasos Militärführung im September 2022 durch einen Staatsstreich die Macht übernommen hat - den zweiten in jenem Jahr - , hat sie die Verbreitung zahlreicher Medien verboten, darunter France 24, Radio France International und Jeune Afrique. Außerdem wurden im April 2023 zwei französische Journalisten ausgewiesen. Inzwischen halten sich keine ausländischen Journalisten mehr in dem westafrikanischen Land auf.

Das Regime nimmt auch lokale Medien ins Visier. So schlossen die Behörden etwa Radio Omega, einen der beliebtesten Radiosender des Landes, im vergangenen Jahr vom Sendebetrieb aus. Der Sender hatte zuvor ein Interview ausgestrahlt, das als "beleidigend" für die neue Militärführung im benachbarten Niger angesehen wurde.

Analysten sehen mehrere Gründe für das harte Vorgehen der Junta gegen die Pressefreiheit. Hauptziel sei, die Kritik an der Militärführung zu unterdrücken, wonach diese unfähig sei, den Terrorismus im Land effektiv zu bekämpfen.

Burkina Faso ganz oben auf dem Terrorismus-Index

Wie auch weitere Länder in der Sahelzone hat Burkina Faso große Probleme, den islamistischen Terror auf seinem Staatsgebiet einzudämmen. Die aktiven Terrorgruppen sind gut vernetzt, sie stehen in Verbindung mit Al-Kaida und dem sogenannten "Islamischen Staat".

Der Präsident von Burkina Faso, Ibrahim Traoré, ein Hauptmann der Armee, hatte die vorherige Militärjunta mit der Begründung gestürzt, diese habe es nicht geschafft, die Gewalt einzudämmen. Er versprach, den Aufstand zu zerschlagen, warb für eine engere Zusammenarbeit mit Russland und beendete ein Abkommen mit Frankreich. Das Kontingent von mehreren hundert französischen Soldaten zog sich Anfang 2023 komplett aus Burkina Faso zurück, nachdem Traoré den Spezialeinheiten dafür eine Frist gesetzt hatte.

Gleichzeitig ist Burkina Faso seit Traorés Machtübernahme im globalen Terrorismus-Index auf den ersten Platz vorgerückt. Dem Index zufolge stieg die Zahl der durch Terror verursachten Todesfälle im Jahr 2023 im Vergleich zum Vorjahr um mehr als zwei Drittel: Fast 2000 Menschen wurden im betreffenden Zeitraum Opfer von Terrorattacken. Auf das westafrikanische Land entfallen jetzt fast ein Viertel aller terroristischen Todesfälle weltweit.

"Der Krieg gegen die Rebellen in Burkina Faso wird sowohl auf dem Schlachtfeld als auch auf ideologischer Ebene geführt", so Saeed zur DW. "Auf der ideologischen Ebene gibt es viel Propaganda, die darauf abzielt, alle Bürger auf Linie zu bringen. Die Regierung reagiert mit Repression auf jedwede Kritik."

Vorwurf: Burkina Fasos Armee verletzt Menschenrechte

Nach Aussage der Nichtregierungsorganisation Reporter ohne Grenzen (RSF) verfolgt die Junta mit ihrem harten Vorgehen gegen die Medien auch das Ziel, Menschenrechtsverletzungen zu vertuschen, die die Armee bei ihren Antiterroroperationen begeht.

"Während sie versucht, die bewaffneten Terroristen zurückzudrängen, begeht ihre reguläre Armee meistens auch viele Menschenrechtsverletzungen", sagt Sadibou Marong, Leiter des Westafrika-Büros von RSF, der DW. "Die Junta will nicht, dass unabhängige Medien diese schrecklichen Menschenrechtsverletzungen aufdecken."

In dem Bericht von Human Rights Watch, der als Auslöser für die jüngsten Mediensperren gilt, wird der Armee von Burkina Faso vorgeworfen, im Februar 2024 mindestens 223 Dorfbewohner ermordet zu haben.

Ähnliche Massaker von Sicherheitskräften wurden auch von anderen Menschenrechts- und Medienorganisationen dokumentiert. Unter der von Traoré geführten Junta stieg die Zahl der getöteten Zivilisten von 430 im Jahr 2022 auf 735 im Jahr 2023, wie aus Zahlen des Armed Conflict Location and Event Data Project, einer in den USA ansässigen gemeinnützigen Organisation, hervorgeht.

Maulkorb für lokale Medien in Burkina Faso

Das harte Durchgreifen gegen internationale Medien werde es den lokalen Medien noch schwerer machen, ihre Arbeit auszuüben, sagen sowohl Reporter ohne Grenzen als auch die Media Foundation for West Africa voraus.

"Internationale Medienorganisationen sind im Allgemeinen einflussreicher und verfügen über ein gewisses Maß an diplomatischer Macht", so Saeed von der MFWA. "Wenn also selbst die internationalen Medien angegriffen, ausgewiesen und suspendiert werden, ist das eine Warnung für die lokalen Medien, sich anzupassen oder ein ähnliches Schicksal zu erleiden."

Lokale Journalisten seien extrem vorsichtig geworden und Selbstzensur sei weit verbreitet, sagen sowohl Saeed als auch Marong von RSF: Vielfach würden die Medien allein die offiziellen Presseerklärungen der Militärregierung als Grundlage für ihre Berichterstattung über die Sicherheitskrise nutzen.

"Journalisten ziehen es vor, auf die offizielle Darstellung, die offizielle Presseerklärung der Regierung zu warten", sagt Marong. "Das ist kein unabhängiger Journalismus."

Saeed berichtet von einem Fall, in dem mindestens vier lokale Zeitungen "Wort für Wort" identisch über dieselbe Geschichte berichteten. "Das bestätigt die Theorie, dass das Militärregime den Medien vorschreibt, was sie zu schreiben haben, und dass die Medien nicht einmal das Recht haben, irgendeine Änderung an der Mitteilung vorzunehmen, die sie vom Militär erhalten, nicht einmal ein Komma."

Aus dem Englischen adaptiert von Philipp Sandner.

Short teaser Burkina Faso verbietet weitere unabhängige Medien, auch die Deutsche Welle. Kritik am Regime ist unerwünscht.
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Image caption Mauergemälde in Ouagadougou, der Hauptstadt von Burkina Faso, ruft zu Wachsamkeit auf: Der Antiterror-Kampf bestimmt den Diskurs
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Item 13
Id 68963133
Date 2024-04-30
Title EU ermittelt gegen Meta wegen Verstoßes gegen Digitalgesetze
Short title EU ermittelt gegen Meta wegen Verstoßes gegen Digitalgesetze
Teaser Die EU-Kommission geht gegen den Internetkonzern Meta vor. Der Vorwurf: Das US-Unternehmen lasse es zu, dass auf seinen Plattformen Facebook und Instagram Falschinformationen zur Europawahl verbreitet werden.

Hält sich Meta nicht an Europas Maßgaben? Die EU-Kommission will das nun prüfen. Sie verdächtigt den mächtigen Internetkonzern aus den USA, im Umgang mit politischer Werbung gegen EU-Recht verstoßen zu haben. Wegen der Verbreitung von Falschinformationen zur Europawahl unter anderem aus Russland und Versäumnissen im Kampf gegen Fake News hat die Behörde in Brüssel ein Verfahren eingeleitet gegen die Muttergesellschaft von Facebook und Instagram.

Das Unternehmen gehe auf den beiden Social-Media-Plattformen nicht ausreichend gegen "Werbekampagnen im Zusammenhang mit ausländischer Manipulation und Einmischung" vor, teilte die Kommission mit. Nutzenden werde es zudem schwer gemacht, Falschinformationen zu melden.

Die EU-Kommission habe das Verfahren eingeleitet, um "die europäischen Bürgerinnen und Bürger vor gezielter Desinformation und Manipulation aus Drittländern zu schützen", teilte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen mit. "Besonders in Zeiten demokratischer Wahlen" müssten große Plattformen wie Instagram und Facebook "ihren Verpflichtungen nachkommen".

Zu langsam, zu intransparent

Die Kommission wirft Meta vor, irreführende Beiträge nicht konsequent genug zu löschen. "Täuschende Werbung ist ein Risiko für unsere Online-Debatte und letztlich für unsere Rechte als Verbraucher und Bürger", so EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager. Auf den Plattformen Instagram und Facebook mangele es "an Transparenz bei der Werbung und den Moderationsverfahren für Inhalte".

Zudem sorgt der Konzern nach Einschätzung der Behörde in Brüssel dafür, dass bestimmte politische Beiträge grundsätzlich weniger oft angezeigt werden. Mit dieser Kontrolle über die Inhalte untergrabe Meta die nötige Transparenz und die freie Meinungsbildung der Nutzenden, teilte die Kommission weiter mit.

Außerdem will Meta demnach noch in diesem Jahr die Funktion "Crowd Tangle" auslaufen lassen, mit der die Verbreitung politischer Beiträge auf den Plattformen öffentlich einsehbar ist - etwa für Forscher, Journalisten und Wahlbeobachter. "Gerade in Zeiten von Wahlen sollte der Zugang zu solchen Werkzeugen erweitert werden", erklärte die Kommission. Es werde geprüft, ob die Dienste Facebook und Instagram gegen das EU-Gesetz für digitale Dienste (Digital Services Act - DSA) verstoßen.

Fünf-Tage-Frist für Meta

Meta wies den Vorwurf zurück. "Wir haben ein etabliertes Verfahren zur Identifizierung und Minimierung von Risiken auf unseren Plattformen." Der US-Konzern hat nun fünf Arbeitstage Zeit, um die Europäische Union über mögliche Schritte zu informieren, die darauf zielen, die Bedenken auszuräumen.

Der DSA unterwirft große Internetkonzerne einer verschärften Regulierung. Das Gesetz schreibt diesen Unternehmen vor, ein Risikomanagement einzurichten sowie verstärkt gegen Hass und Hetze im Internet vorzugehen.

Die Richtlinie verpflichtet Online-Plattformen unter anderem, Falschinformationen und Gewaltdarstellungen schneller zu löschen und die Algorithmen hinter personalisierter Werbung offenzulegen. Bei Verstößen drohen Strafen von bis zu sechs Prozent des weltweiten Jahresumsatzes.

Es ist das fünfte Mal, dass die EU den Digital Services Act umsetzt. Bislang laufen in Brüssel unter anderem Verfahren gegen die Videoplattform Tiktok und den Kurzmitteilungsdienst X. Tiktok wird zudem vorgeworfen, Minderjährige nicht ausreichend vor Suchtgefahren auf der Plattform zu schützen. In einem weiteren Verfahren ermittelt die Kommission gegen den Online-Händler AliExpress wegen des Vertriebs mutmaßlich gefälschter Arzneimittel.

AR/jj (afp, rtr, dpa)

Short teaser Die EU-Kommission geht gegen die Facebook-Mutter vor. Der Vorwurf: Verbreitung von Falschinformationen zur Europawahl.
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Image caption Logo des Meta-Konzerns (Archivbild): "Wir haben ein etabliertes Verfahren"
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Item 14
Id 68958552
Date 2024-04-30
Title Ukraine-Krieg: Warum kauft die EU weiter russisches Gas?
Short title Ukraine-Krieg: Warum kauft die EU weiter russisches Gas?
Teaser Seit Russlands Angriff auf die Ukraine sind die Gas-Einfuhren zwar zurückgegangen - dennoch fließen noch immer erhebliche Mengen russisches Gas in die EU.

Mehr als zwei Jahre nach dem Beginn der russischen Invasion in der Ukraine strömt noch immer russisches Gas nach Europa. Damit finanzieren Unternehmen aus der EU den Kreml indirekt weiter - wenn auch in deutlich geringerem Ausmaß als noch vor dem Ukraine-Krieg. Rund 34 Prozent der europäischen Gasimporte stammten damals aus Russland. Länder in Mittel- und Osteuropa waren besonders abhängig.

Als die EU zu Beginn des Ukraine-Krieges ein Import-Verbot vorschlug, sprach sich der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz sofort dagegen aus. Ohne Russland sei "die Versorgung Europas mit Energie für Wärmeerzeugung, Mobilität, Strom und Industrie derzeit nicht zu sichern", argumentierte Scholz.

Dem russischen Präsidenten Wladimir Putin war diese Sorge durchaus bewusst. Er drosselte die Gaseinfuhren nach Europa. Vor dem Winter 2022 befürchteten die europäischen Staats- und Regierungschefs einen Energieschock. Zwar sind diese Befürchtungen nie eingetreten - doch die Angst saß und sitzt noch immer tief. Auch deshalb hat die EU nie wirklich Sanktionen gegen russisches Gas verhängt.

"Es gab keine Sanktion", sagt Benjamin Hilgenstock, Ökonom von der Kyiv School of Economics. "Es war eine freiwillige und kluge Entscheidung der Länder, die Versorgung zu diversifizieren und nicht länger von Russland erpressbar zu sein", sagte er der DW.

Wie russisches LNG-Gas Pipelinegas ersetzen?

Nach EU-Angaben ist der Anteil des von den Mitgliedstaaten importierten russischen Pipelinegases von 40 Prozent im Jahr 2021 auf etwa acht Prozent im Jahr 2023 gesunken.

Bezieht man jedoch verflüssigtes Erdgas (LNG) mit ein, dann lag der Anteil des russischen Gases an den Gesamteinfuhren der EU im vergangenen Jahr bei 15 Prozent. Flüssiggas; Erdgas, das in abgekühlter und verflüssigter Form mit dem Schiff transportiert werden kann.

Die EU konnte ihre Russland-Abhängigkeit nach Beginn des Ukraine-Krieges vor allem dadurch verringern, dass sie ihre LNG-Importe aus Ländern wie den Vereinigten Staaten und Katar erhöhte.

Doch damit kam auch vermehrt verbilligtes russisches LNG in die EU. Nach Angaben des Datenanbieters Kpler ist Russland jetzt der zweitgrößte Flüssiggas-Lieferant der EU.

2023 machten die Importe aus Russland 16 Prozent der gesamten LNG-Versorgung der EU aus. Das ist ein Anstieg von über 40 Prozent im Vergleich zu 2021 - also vor Kriegsbeginn. Daten aus dem ersten Quartal 2024 zeigen, dass die russischen Flüssiggas-Exporte nach Europa im Vergleich zum Vorjahr erneut um fünf Prozent gestiegen sind. Frankreich, Spanien und Belgien haben besonders viel LNG importiert. Auf diese drei Länder entfielen 87 Prozent des gesamten Flüssiggases, das im Jahr 2023 in die EU kam.

Länder wollen Verladung von LNG stoppen

Ein großer Teil des russischen Flüssiggases wird jedoch gar nicht für den europäischen Markt benötigt, sondern nur in europäischen Häfen umgeschlagen, sagt der Ökonom Hilgenstock. Das heißt, es kommt an - wird auf andere Schiffe verladen und dann in andere Länder exportiert. "Das hat also nichts mit der europäischen Erdgasversorgung zu tun. Es geht nur darum, dass europäische Unternehmen Geld damit verdienen, russische LNG-Exporte zu ermöglichen."

Einem aktuellen Bericht des Centre for Research on Energy and Clean Air (CREA) zufolge wurde knapp ein Viertel der europäischen Flüssiggasimporte aus Russland (22 Prozent) 2023 wieder auf die globalen Märkte verschifft. Der Großteil ginge an Länder in Asien, sagte Petras Katinas, Energieexperte beim CREA, der DW.

Mehrere EU-Mitglieder wie Schweden, Finnland und die baltischen Staaten üben daher Druck auf die EU aus. Sie wollen ein vollständiges Verbot für russisches LNG. Das aber benötigt die Zustimmung aller Mitgliedsstaaten.

Innerhalb der EU konzentriert sich die Diskussion vor allem auf ein Verbot der Umschlagung von russischem Flüssiggas in den Häfen. Nach Angaben der Nachrichtenagentur Bloomberg wird auch über die Sanktionierung wichtiger russischer LNG-Projekte nachgedacht, wie Arctic LNG 2, das Ust Luga LNG-Terminal und eine Anlage in Murmansk.

"Wir sollten russisches LNG im Grunde verbieten", sagte Hilgenstock on der Kyiv School of Economics. "Wir glauben nicht, dass es eine bedeutende Rolle für die europäische Gasversorgung spielt und relativ leicht durch Flüssiggas aus anderen Quellen ersetzt werden kann." Auch eine Studie der Denkfabrik Bruegel aus dem Jahr 2023 untermauert diese Aussage.

Dennoch warnte die Europäische Agentur für die Zusammenarbeit der Energieregulierungsbehörden - kurz Acer - kürzlich: Eine Reduzierung der russischen LNG-Importe sollte nur "schrittweise" erfolgen, um einen Energieschock zu vermeiden.

Auch Pipeline-Gas kommt noch nach Europa

Die Nord-Stream-Pipelines durch die Ostsee sind derzeit nicht in Betrieb. Auch über die Festlandpipeline Jamal-Europa fließt kein russisches Gas mehr nach Europa. Dennoch erreicht russisches Gas weiter über Pipelines durch die Ukraine die österreichische Erdgasdrehscheibe Baumgarten. Der Grund liegt auf der Hand: Das teilstaatliche österreichische Energieunternehmen OMV hat mit dem russischen Gasriesen Gazprom einen Liefervertrag bis 2040 abgeschlossen.

Österreich bestätigte im Februar dieses Jahres, dass 98 Prozent seiner Gasimporte im Dezember 2023 aus Russland stammten. Laut der Regierung in Wien soll der Vertrag so schnell wie möglich gekündigt werden. Dafür seien aber EU-Sanktionen nötig, um diesen Schritt auch juristisch zu rechtfertigen.

Auch Ungarn hat weiterhin russisches Gas in großen Mengen über Pipelines importiert. Vor kurzem hat das Land einen Gasvertrag mit der Türkeiabgeschlossen - viele Experten gehen aber davon aus, dass es sich auch dabei um russisches Gas handelt, das über die Pipeline Turkstream die Türkei erreicht.

Der Ökonom Hilgenstock nimmt an, dass einige Länder weiterhin russisches Gas kaufen, weil sie von günstigen Verträgen profitieren. "Solange es also kein Embargo gegen russisches Erdgas gibt, können diese Länder das auch tun."

Für Österreich und Ungarn könnte ein mögliches Ende ihrer Pipeline-Importe aus Russland letztlich durch die Ukraine erfolgen. Kiew beharrt nämlich darauf, dass es den bestehenden Vertrag mit Gazprom über die Durchleitung von Gas durch sein Territorium nicht verlängern wird. Dieses Abkommen läuft Ende 2024 aus.

Zeit für ein Embargo?

Obwohl immer noch russisches Gas nach Europa importiert wird, ist der Anteil an den europäischen Gasimporten insgesamt seit 2021 drastisch gesunken. Die EU strebt an, dass die Union bis 2027 völlig frei von russischem Gas ist.

Ein Ziel, das Hilgenstock für zunehmend realistisch hält. "Ich denke, wenn uns dieses ganze Kapitel eines gezeigt hat, dann dass wir unsere Gasversorgung und andere Energiequellen relativ schnell von Russland weg diversifizieren können."

Dennoch seien die politischen Bedingungen für ein totales Gasembargo - insbesondere für ein Pipelinegas derzeit "nicht besonders günstig". Hilgenstock verweist auch auf die ungarisches EU-Ratspräsidentschaft in der zweiten Hälfte des Jahres 2024 als mögliches Hindernis. Budapest hat engere Beziehungen zu Moskau als die meisten EU-Mitgliedstaaten.

In Bezug auf LNG ist er optimistischer. Neben Maßnahmen der EU müssten aber auch die großen Flüssiggas-Importeure wie Spanien und Belgien selbst die Initiative ergreifen. "Die Einfuhr von russischem Gas durch die Hintertür ist ein großes Problem". Zum einen wegen der Botschaft, die dadurch ausgesendet werde und man helfe Russland bei seinen LNG-Lieferketten. "Das sollten wir nicht tun."

Der Artikel wurde aus dem Englischen adaptiert.

Short teaser Trotz des Ukraine-Krieges strömt noch immer russisches Gas in die EU: über Pipelines und als Flüssiggas.
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Item 15
Id 68958474
Date 2024-04-30
Title Deutsche Wirtschaft entgeht Rezession
Short title Deutsche Wirtschaft entgeht Rezession
Teaser Die deutsche Wirtschaft müht sich aus der Flaute. Vorläufige Zahlen für das erste Quartal machen Hoffnung, dass das Schlimmste überstanden ist. Der zuständige Minister will eine "wuchtige Entlastung" der Wirtschaft.

Die deutsche Wirtschaft ist im ersten Quartal dank steigender Exporte und Bauausgaben an einer Rezession vorbeigeschrammt. Das Bruttoinlandsprodukt wuchs von Januar bis März um 0,2 Prozent im Vergleich zum Vorquartal, wie das Statistische Bundesamt am Dienstag mitteilte.

Das ist das größte Plus seit einem Jahr. Im vierten Quartal 2023 war Europas größte Volkswirtschaft noch stärker geschrumpft als bislang angenommen, und zwar um revidiert 0,5 (bisher: -0,3) Prozent. Bei zwei Minus-Quartalen in Folge wird von einer technischen Rezession gesprochen.

Den Statistikern zufolge wurde das Wachstum zu Jahresbeginn von Anstiegen der Bauinvestitionen und der Exporte getragen. "Die privaten Konsumausgaben gingen dagegen zurück", hieß es.

2023 insgesamt sank das Bruttoinlandsprodukt mit 0,2 Prozent etwas geringer als bislang mit minus 0,3 Prozent angenommen. Die Bundesregierung erwartet für 2024 ein Wachstum von 0,3 Prozent.

Dem Internationalen Währungsfonds (IWF) zufolge schlägt sich keine andere große Industrienation derzeit schlechter als Deutschland.

"So richtig deutliches Wachstum wird es wohl erst 2025 geben", sagte LBBW-Ökonom Jens-Oliver Niklasch voraus. Dennoch könnte Europas größte Volkswirtschaft nach Einschätzung vieler Volkswirte das Schlimmste inzwischen überstanden haben.

"Strukturelle Herausforderungen bleiben"

Zuletzt verbesserten sich viele Stimmungsindikatoren wie das Geschäftsklima. "Für den lange ersehnten Aufschwung der deutschen Wirtschaft keimt Hoffnung auf", sagte der Konjunkturexperte des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Guido Baldi. "Strukturelle Herausforderungen bleiben aber bestehen und dämpfen das Trendwachstum vorerst weiterhin - von der Alterung der Bevölkerung über die Rückstände bei der Digitalisierung bis hin zur lange verschleppten Energiewende."

Auch wächst die Zuversicht, dass künftig der private Konsum die Konjunktur anschiebt. Der Umsatz im Einzelhandel stieg im März mit real 1,8 Prozent zum Vormonat so stark wie seit fast zweieinhalb Jahren nicht mehr. "Es wächst die Hoffnung, dass der nahende Frühling den Konsum weiter anstacheln wird", sagte der Chefvolkswirt der Hauck Aufhäuser Lampe Privatbank, Alexander Krüger.

Die Bundesbank sieht die heimische Wirtschaft allerdings noch nicht vor einem anhaltenden Aufschwung. "Die Konjunktur in Deutschland hat sich etwas aufgehellt, eine durchgreifende Belebung ist aber noch nicht gesichert", heißt es im aktuellen Monatsbericht.

Die gestiegenen Finanzierungskosten und die erhöhte wirtschaftspolitische Unsicherheit dämpften demnach die Investitionstätigkeit der Unternehmen. Die Nachfrage nach Waren Made in Germany aus dem In- und Ausland sei nach wie vor schwach. Auch im Wohnungsbau sei der Negativtrend in der Nachfrage noch nicht gebrochen.

Habeck will "wuchtiges" steuerliches Entlastungsprogramm

Die Bundesregierung sah in ihrer jüngsten Prognose zunehmende Anzeichen für eine Trendwende. Mit einer kräftigen Konjunkturerholung wird allerdings vorerst nicht gerechnet. Zum Jahresende 2023 war die Wirtschaftsleistung im Vergleich zum Vorquartal preis-, kalender- und saisonbereinigt nach revidierten Zahlen um 0,5 Prozent gesunken. Im Gesamtjahr 2023 rutschte Deutschland mit einem Rückgang des Bruttoinlandsproduktes, der nach neuesten Berechnungen preisbereinigt minus 0,2 Prozent betrug, in eine leichte Rezession.

Für das laufende Jahr hob die Regierung ihre Konjunkturprognose leicht an und erwartet nun 0,3 Prozent Wachstum im laufenden Jahr. Zuvor war die Regierung von 0,2 Prozent Plus ausgegangen.

Ein Wachstum von 0,3 Prozent sei natürlich "nichts, mit dem wir zufrieden sein können", hatte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) eingeräumt. Es gebe aber eine Reihe positiver Entwicklungen. Beispielsweise habe die Inflation schneller nachgelassen als erwartet.

Am Montagabend (29.04.2024) sprach sich Habeck bei einer Veranstaltung in Kassel für ein "kurzfristiges und wuchtiges" steuerliches Entlastungsprogramm für die Wirtschaft aus.

Um dies zu finanzieren, warb der Grünen-Politiker für eine Reform der Schuldenbremse. Mehr Flexibilität würde es erlauben, mehr für die Bauwirtschaft und die Investitionen von Firmen zu tun. Habeck räumte aber ein, für eine Reform der Schuldenbremse gebe es derzeit keine politische Mehrheit.

hb/bea (rtr,dpa)

Short teaser Die deutsche Wirtschaft müht sich aus der Flaute. Neue Zahlen machen Hoffnung, dass das Schlimmste überstanden ist.
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Item URL https://www.dw.com/de/deutsche-wirtschaft-entgeht-rezession/a-68958474?maca=de-VEU-Volltext-Blickpunkt-Lateinamerika-12973-html-copypaste
Image URL (460 x 259) https://static.dw.com/image/65921101_302.jpg
Image caption Die deutsche Volkswirtschaft verzeichnet ein leichtes Wachstum und entgeht der Rezession
Image source Ute Grabowsky/photothek/picture alliance
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Item 16
Id 68948938
Date 2024-04-29
Title Inflation in Deutschland verharrt bei knapp über zwei Prozent
Short title Inflation verharrt bei knapp über zwei Prozent
Teaser Die Inflation in Deutschland verharrt auf ihrem zuletzt deutlich gesunkenen Niveau. Die Verbraucherpreise erhöhten sich wie schon im März um durchschnittlich 2,2 Prozent.

Die Inflationsrate in Deutschland bleibt nach drei Rückgängen in Folge unverändert. Die Verbraucherpreise lagen im April wie schon im März um 2,2 Prozent über dem Niveau des Vorjahresmonats, wie das Statistische Bundesamt am Montag auf vorläufiger Basis mitteilte. Niedriger war die jährliche Teuerungsrate zuletzt im April 2021 mit damals 2,0 Prozent. Im Dezember vergangenen Jahres hatte die Rate noch bei 3,7 Prozent gelegen und war seither stetig zurückgegangen. Höhere Teuerungsraten schwächen die Kaufkraft von Verbraucherinnen und Verbrauchern.

Wieder regulärer Mehrwertsteuersatz für Erdgas und Fernwärme

Für Nahrungsmittel zahlten Verbraucherinnen und Verbraucher im April 0,5 Prozent mehr als ein Jahr zuvor. Die Preise für Haushaltsenergie sanken dagegen um 1,2 Prozent - trotz des Auslaufens der temporären Mehrwertsteuersenkung für Gas und Fernwärme. Seit Anfang April gilt für diese Güter wieder der reguläre Mehrwertsteuersatz von 19 Prozent.

Um die hohen Energiepreise als Folge des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine abzufedern, hatte die Politik die Mehrwertsteuer auf Erdgas und Fernwärme vom 1. Oktober 2022 bis zum 31. März 2024 auf sieben Prozent gesenkt. In einigen Bundesländern zogen die Preise für Fernwärme im Jahresvergleich deutlich an, wie aus den Statistiken mehrerer Landesämter hervorgeht.

Zudem mussten die Menschen demnach beim Besuch der Gaststätte oder der Übernachtung im Hotel in vielen Bundesländern in diesem April tiefer in die Tasche greifen als ein Jahr zuvor. Von März auf April des laufenden Jahres stiegen die Verbraucherpreise nach vorläufigen Berechnungen des Wiesbadener Bundesamtes insgesamt um 0,5 Prozent.

Schlechtere Aussichten für weitere Entwicklung

Im Jahresschnitt erwarten führende Wirtschaftsforschungsinstitute eine deutliche Abschwächung der Inflation in Europas größter Volkswirtschaft auf 2,3 Prozent nach 5,9 Prozent im vergangenen Jahr. Allerdings könnte der Weg dorthin mühsamer werden als erhofft. Die aktuellen Preispläne der Unternehmen hierzulande deuten nach Einschätzung des Münchner Ifo-Instituts auf eine Pause beim Rückgang der Inflation hin.

Teurer werden dürfte es für die Kundschaft vor allem in der Gastronomie sowie beim Kauf von Spielwaren und Drogerieartikeln. Die Schlussfolgerung der Ifo-Forschenden: "In den kommenden Monaten dürfte die Inflation erst einmal nicht weiter zurückgehen und bei knapp über zwei Prozent verharren."

Wann kommt die Konsumwende?

Niedrigere Inflationsraten können die Konsumlust von Verbraucherinnen und Verbrauchern ankurbeln. Das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der gewerkschaftlichen Hans-Böckler-Stiftung machte in einer jüngst veröffentlichten Studie auf Basis einer Umfrage unter 9600 Menschen eine spürbare Zunahme der Konsumneigung in allen Einkommensgruppen aus, insbesondere bei Freizeit, Unterhaltung und Kultur. Es gebe Indizien für eine "bevorstehende Konsumwende" - vor allem dann, "wenn im Jahresverlauf die Inflationsrate weiter sinkt und mit steigenden Nominallöhnen auch die Reallöhne nach mehreren Jahren des Rückgangs wieder steigen", hieß es in der Auswertung.

Auch die jüngsten Daten der Konsumforscher der Nürnberger GfK zeigen, dass die Aussicht auf steigende Löhne für bessere Stimmung sorgt: Die Kauflaune der Menschen hierzulande sei weiterhin schlecht, aber sie erhole sich leicht. Der Privatkonsum ist eine wichtige Stütze der Konjunktur in Deutschland, die seit Monaten nicht recht in Fahrt kommt.

hb/iw (dpa)

Short teaser Die Inflation in Deutschland verharrt auf ihrem zuletzt deutlich gesunkenen Niveau bei derzeit 2,2 Prozent.
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Item 17
Id 68923078
Date 2024-04-28
Title Faktencheck: Weicht Biden Sanktionen gegen Iran auf?
Short title Faktencheck: Weicht Biden Sanktionen gegen Iran auf?
Teaser Nach den Drohnenangriffen auf Israel verschärfen EU und USA ihre Sanktionen gegen Teheran. US-Präsident Joe Biden wird vorgeworfen, diese nicht konsequent umzusetzen. Was ist dran an den Vorwürfen?

Seit der Revolution 1979 wird der Iran, das Land mit den weltweit größten Rohöl- und Gasreserven, immer wieder mit Sanktionen belegt. Angesichts der Drohnenangriffe auf Israel haben sowohl die USA als auch die EU ihre Sanktionen gegenüber Teheran erneut verschärft. Wie wurden die zahlreichen Sanktionen umgesetzt?

UN-Waffenembargo und die USA

Behauptung: "Biden hat dem Auslaufen der UN-Sanktionen gegen iranische Drohnen und ballistische Raketen zugestimmt", schreibt die US-amerikanische Fernsehkommentatorin Morgan Ortagus auf Twitter. Ortagus war von 2019 bis 2021 Sprecherin des US-Außenministeriums unter US-Präsident Trump.

DW Faktencheck: Falsch.

Das UN-Waffenembargo gegen den Iran ist bereits am 18. Oktober 2020 ausgelaufen. Dies war vor dem Beginn der Amtszeit von Präsident Joe Biden am 20. Januar 2021.

Das Embargo endete genau fünf Jahre nach dem Tag der Annahme des internationalen Abkommens über das iranische Atomprogramm, genannt Joint Comprehensive Plan of Action (JCPOA).

Im Rahmen des Abkommens beschloss der UN-Sicherheitsrat am 20. Juli 2015 (Resolution 2231), das bis dahin geltende strikte UN-Waffenembargo gegen den Iran zu lockern.

Die Lockerungen sollten allerdings erst gewährt werden, wenn die Internationale Atomenergie-Organisation (IAEO) gegenüber dem UN-Sicherheitsrat bestätigt, dass der Iran die im JCPOA festgelegten Maßnahmen im Zusammenhang mit seinem Atomprogramm ergriffen hat.

Unter Trump zogen sich die USA am 8. Mai 2018 aus dem internationalen Atomabkommen mit dem Iran zurück. Am 6. August 2018 verhängten die USA erneut Sanktionen.

Der damalige US-Außenminister Michael Pompeo erklärteim September 2020, dass auch die UN-Lockerungen rückgängig gemacht und die in der Resolution 2231 des UN-Sicherheitsrates verfügten Sanktionen gegen den Iran wieder eingesetzt würden.

Dies war jedoch nicht der Fall. Der UN-Sicherheitsrat hatte bereits am 26. August 2020 eine entsprechende Initiative der USA mit der Begründung blockiert, dass die USA einseitig aus dem JCPOA ausgestiegen und deshalb nicht befugt seien, Änderungen vorzuschlagen.

Seitdem haben die USA mehrfach ihre eigenen Sanktionen gegenüber dem Iran verschärft. Eine komplette Liste aller seit 2001 verhängten US-Sanktionen gegen den Iran hat das United States Institute for Peace zusammengestellt.

Israel-Angriff und Urananreicherung dank Sanktionspausen?

Behauptung: "Seit seinem Amtsantritt hat Biden Direktzahlungen an Teheran und Sanktionserleichterungen vorgenommen. Dieses Geld hat der Iran genutzt, um Israel anzugreifen," empört sich eine Twitter Userin . Der republikanische US-Kongressabgeordnete Bryan Steil pflichtet ihr bei und schreibt: "Präsident Biden hat eine Ausnahmeregelung für Sanktionen verlängert, die dem Iran Zugang zu zehn Milliarden Dollar gewährt. In der Zwischenzeit reichert der Iran Uran fast auf nuklearen Niveau an und seine Stellvertreter schießen Raketen auf unsere Soldaten ab, drei wurden getötet".

DW-Faktencheck: Unbelegt.

Richtig ist, dass US-Präsident Joe Biden während seiner Amtszeit mehrfach Sanktionsaussetzungen angeordnet hat. Es folgen einige Beispiele.

So versuchte Biden im Februar 2022 mit "sanction waivers" für russische, chinesische und europäische Unternehmen eine Wiederbelebung der indirekten amerikanisch-iranischen Gespräche über das Atomabkommen von 2015 zu ermöglichen.

Im Juli 2023 gab US-Außenminister Antony Blinken nach einem Treffen mit seinem irakischen Amtskollegen Fuad Hussein in Riad die Freigabe von iranischen Guthaben im Irak bekannt. Damit konnte der Irak einen Teil seiner Erdgasschulden in Milliardenhöhe gegenüber dem Iran begleichen. Dieser hatte seine Lieferungen für den Irak eingestellt.

Im August 2023 gewährte Präsident Biden Teheran Zugang zu rund sechs Milliarden US-Dollar an Erdöldevisen. Das Geld befand sich auf einem gesperrten Bankkonto in Südkorea. Im Gegenzug wurden fünf amerikanische Geiseln aus dem Iran freigelassen.

Im März dieses Jahres erlaubte die US-Regierung dem Iran erneut Zugang zu zehn Milliarden US-Dollar. Auf einer Pressekonferenz am 15. April verteidigte Sprecher John Kirby die Maßnahme: "Von diesen Geldern - die übrigens von der Regierung Trump auf einem Konto eingerichtet wurden - geht nichts direkt an den Obersten Führer der Revolutionsbrigaden IRGC. Sie können nur für humanitäre Zwecke verwendet werden."

Claude Rakisits vom Centre for Security, Diplomacy and Strategy (CSDS) in Brüssel widerspricht. Er ist davon überzeugt, dass "die Sanktionsaussetzungen es Teheran leichter gemacht haben, Waffen zu produzieren und zu kaufen".

Belegbar ist diese Behauptung nicht. Im Gegensatz zu Kritiker Rakisits verteidigt US-Präsident Biden in einem Statement vom 18. April seine Sanktionspolitik.

"Während meiner Regierung haben die USA über 600 Individuen und Organisationen mit Sanktionen belegt, darunter den Iran und seine Verbündeten Hamas, Hizbollah, und Huthis. Dies werden wir fortsetzen und weitere Sanktionen verhängen, die Irans Rüstungsindustrie schwächen."

Waffenexporte und Wachstum trotz Sanktionen

Behauptung: "Die Sanktionen gegen den Iran sind nicht sinnvoll, wenn sie nicht auch China mit einbeziehen", schreibt die deutsch-iranische Fernsehjournalistin Natalie Amiri auf Twitter. Andere User bezeichnen die Sanktionen sogar als "komplett sinnlos", da ihre Einhaltung nicht durchgesetzt werde.

DW-Faktencheck: Richtig.

Die Sanktionen schwächen Wirtschaft und Entwicklung, reduzieren Investitionen und führen zu wachsender Arbeitslosigkeit und Armut. Die Entwicklung des iranischen Bruttoinlandsproduktes pro Kopf seit 1979 (siehe Grafik) verdeutlicht die Rückschläge, die der Iran durch die Strafmaßnahmen hinnehmen musste, etwa den rapiden BIP-Rückgang nach dem Ölembargo 2012.

Dennoch liegt die Wirtschaft des Landes trotz der internationalen Strafmaßnahmen nicht am Boden.

"Das Wirtschaftswachstum hat sich in den vergangenen vier Jahren trotz der anhaltenden Sanktionen und erhöhter geopolitischer Unsicherheit als resilient erwiesen", heißt es in der Analyse der Weltbank.

Andere Sanktionsexperten bestätigen diese Einschätzung: "Westliche Sanktionen gegen Drohnen und Waffen aus dem Iran haben nicht funktioniert, weil Teheran die Waffen oder Komponenten dafür woanders herbekommt", erklärt Sanktionsexperte Claude Rakisits auf Anfrage der DW. Die Lieferungen kämen hauptsächlich aus China, Nordkorea und Russland. Rakisits: "Es besteht eine effektive Allianz zwischen diesen vier Diktaturen."

Short teaser US-Präsident Biden wird vorgeworfen, die Sanktionen gegen den Iran nicht konsequent umzusetzen. Stimmt das?
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Image caption US-Präsident verspricht Israel nach dem Angriff des Iran militärische Unterstützung
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Item 18
Id 68921003
Date 2024-04-26
Title Was bringen Sanktionen gegen Iran und Russland?
Short title Was bringen Sanktionen gegen Iran und Russland?
Teaser Seit rund 40 Jahren gibt es Zwangsmaßnahmen gegen den Iran und noch nie wurden so schnell so viele Sanktionen verhängt wie gegen Russland. Ihre Wirkung ist begrenzt und doch gibt es kaum eine Alternative.

Der Iran weiß es, China weiß es und die US-Regierung weiß es offenbar auch: Trotz bestehender Sanktionen gegen die Ölwirtschaft der Islamischen Republik wird Öl aus dem Iran in Rekordhöhe ins Reich der Mitte verschifft.

"Wenn man der chinesischen Regierung glaubt, importiert das Land kein Öl aus dem Iran. Null. Kein einziges Barrel. Stattdessen importiert es viel malaysisches Rohöl. So viel, dass das Land nach offiziellen chinesischen Zolldaten mehr als doppelt so viel malaysisches Öl kauft, wie Malaysia tatsächlich produziert", beschreibt der Rohstoff-Spezialist Javier Blas den Etikettenschwindel im Nachrichtenportal Bloomberg.

Mit einem einfachen Trick, so Blas, wird aus iranischem Rohöl malaysisches. Laut Ölhändlern sei das "der einfachste und billigste Weg, die US-Sanktionen zu umgehen". Und so wurde aus Malaysia im vergangenen Jahr Chinas viertgrößter ausländischer Öllieferant, hinter Saudi-Arabien, Russland und dem Irak.

Als Dreh- und Angelpunkt für die Umgehung von Sanktionen nutzt der Iran seit vielen Jahren die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE). Über Dubai kommen häufig die Waren in die Islamische Republik, die auf langen Verbotslisten der USA oder der Europäischen Union stehen. Dazu werden verbotene Öllieferungen über die Emirate eingefädelt und abgewickelt.

Ganz gleich, ob es um Ersatzteile für Fahrzeuge oder Flugzeuge geht: Längst hat der Iran seine Lieferketten so modifiziert, dass man über Handels- und Finanzplätze wie Dubai alles beschaffen kann, wofür es im Iran eine Nachfrage gibt. Das ist zwar teurer als der direkte Import. Aber die westlichen Sanktionen, vor allem die der USA, werden so seit vielen Jahren umgangen.

Umschlagplatz Zentralasien

Auch Russland verfügt über solche Umschlagplätze für sanktionierte Güter. Auch hier gibt es kaum ein Produkt, das nicht über ein Drittland beschafft werden kann: Etwa Ersatzteile für deutsche Luxus-Autos oder elektronische Bauteile, die zur Steuerung von Waffen gebraucht werden. Eine Schlüsselrolle spielen dabei frühere Sowjetrepubliken in Zentralasien. Moskaus Vorteil dabei: Die Russische Föderation ist mit Ländern wie Kasachstan oder Kirgisistan in einer Zollunion verbunden, in der der grenzüberschreitende Warenverkehr ein Kinderspiel ist.

So gelangen sanktionierte Produkte aus dem Westen, die nach den Sanktionen tabu für Russland sind, nahezu ungehindert über internationale Grenzen. Kontrolle? Fast unmöglich. Allein die Grenze zwischen der Russischen Föderation und Kasachstan ist rund 7500 Kilometer lang. Auch Armenien ist so ein Beispiel: Um knapp 1000 Prozent legte der Verkauf deutscher Autos und Autoteile im vergangenen Jahr zu.

Seit der Verhängung des mittlerweile 13. Sanktionspakets der EU gegen Moskau am 22. Februar 2024 ist Russland weltweit das Land, das mit den meisten Sanktionen belegt ist. Das belegen Zahlen von Castellum.AI, einer privatwirtschaftlichen Compliance-Plattform aus den USA. Und trotzdem führt Russland seinen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen die Ukraine weiter und die russische Wirtschaft ist alles andere als zusammengebrochen.

Gerade erst hat die russische Regierung ihre Prognose für das Wirtschaftswachstum in diesem Jahr von 2,3 auf 2,8 Prozent angehoben. Der Internationale Währungsfonds (IWF) geht sogar von einem Plus beim Bruttoinlandsprodukt (BIP) von 3,2 Prozent aus. Die Begründung ist für westliche Sanktions-Befürworter ernüchternd: Hohe Staatsausgaben und Investitionen im Zusammenhang mit dem Krieg gegen die Ukraine sowie - trotz westlicher Sanktionen - hohe Einnahmen aus dem Ölexport würden Russlands Wirtschaft antreiben, so der der IWF.

Noch nie so viele Sanktionen verhängt

Der Iran war bis zum Kriegsausbruch in der Ukraine das am stärksten sanktionierte Land der Welt - bis zum Angriff Russlands auf die Ukraine. Danach wurden von den USA und der EU immer neue Sanktionsrunden beschlossen. Mittlerweile unterliegt Russland mehr als 5000 verschiedenen gezielten Sanktionen, mehr als der Iran, Venezuela, Myanmar und Kuba zusammen.

Die Sanktionen, die als Reaktion auf Putins Angriffskrieg verhängt wurden, richten sich gegen Politiker und Beamte (einschließlich Putin selbst), Oligarchen, Großunternehmen, Finanzinstitute und den militärisch-industriellen Komplex, listet Castellum.AI auf. Ergänzt werden sie durch weitreichende Sanktionen im Finanzbereich, die den Zugang russischer Banken zu den internationalen Finanzmärkten einschränken - etwa durch den Ausschluss vom System für den internationalen Zahlungsverkehr Swift. Außerdem verwehren die Zwangsmaßnahmen der russischen Zentralbank den Zugriff auf Währungsreserven und Goldbestände, die sich in den G7-Ländern befinden.

Der Haken daran ist, dass nur die Sanktionen, die vom UN-Sicherheitsrat verhängt werden, auch völkerrechtlich bindend sind. Und dass es eben eine ganze Reihe von Staaten wie Indien, Brasilien oder China gibt, die sich diesen Sanktionen nicht anschließen.

Kaum eine Alternative

Warum also immer neue Sanktionen verhängen, wenn ihr Ziel, das Verhalten von Staaten zu ändern, nicht erreicht werden kann? "Wir leben im Zeitalter der Sanktionen. Wenn keine Sanktionen verhängt werden würden, wäre das schon fast wie eine unausgesprochene Unterstützung. Oder als ob man auf diesen völkerrechtswidrigen Angriff gar nicht antworten würde", sagt Christian von Soest, Sanktions-Experte vom German Institute for Global and Area Studies (GIGA) im Interview mit der DW.

Für den Autor des Buches Sanktionen: Mächtige Waffe oder hilfloses Manöver?, das vor einem Jahr erschienen ist, haben zwar die Sanktionen nicht zu einer Änderung des Verhaltens Russlands oder des Iran geführt. Doch die USA und die EU sind dabei, ihre Maßnahmen nachzuschärfen. So bereiten die USA nach einem Bericht des Wall Street Journal Sanktionen gegen eine Reihe von chinesischen Banken vor, um sie vom weltweiten Finanzsystem auszuschließen. Die Behörden wollen so Pekings Finanzhilfen für die russische Rüstungsproduktion unterbinden, berichtet die US-Finanzzeitung unter Berufung auf "mit der Angelegenheit vertraute Personen".

Auch die EU hat sich neu formiert, um ihre Sanktionen besser durchzusetzen. So gibt es seit Januar 2023 mit dem Top-Diplomaten David O'Sullivan einen EU-Sanktionsbeauftragten. "Seine Aufgabe ist es zum Beispiel auch, in die Post-Sowjetstaaten in der Nachbarschaft von Russland zu reisen und die Regierungen dort zu überzeugen, die Sanktionen stärker durchzusetzen", erklärt Christian von Soest.

"Es gibt jetzt auch eine sogenannte No Russia Clause, mit der man Exporteure dazu zwingen will, nachzuweisen, dass die gelieferten Güter, Maschinen, Fahrzeuge, Autoteile, eben nicht nach Russland weitergehen. Eine solche Endverbleibs-Klausel kennen wir aus dem Kriegswaffenkontrollgesetz", fügt der Sanktions-Experte hinzu.

Auch im Fall der Vereinigten Arabischen Emirate steigt der Druck: "Die VAE sind zu einem Zufluchtsort für die Umgehung iranischer und russischer Sanktionen geworden", konstatiert die US-Denkfabrik Atlantic Council. Deshalb hat die Financial Action Task Force (FATF), ein internationales Koordinierungsgremium, das von den G7, der EU und der Industriestaatenorganisation OECD zur Bekämpfung von Geldwäsche gegründet wurde, die VAE auf die so genannte graue Liste gesetzt. Auf dieser Liste landen Länder, in denen die FATF-Ermittler ein erhöhtes Risiko für Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung sehen.

"Man hat das generelle Problem erkannt, dass es Ausweichmöglichkeiten sowohl für Russland, aber auch für den Iran gibt, die Sanktionen zu umgehen", sagt Christian von Soest. Jetzt müsse man sehen, was die verschiedenen Maßnahmen bringen.

Short teaser Die Wirkung von Sanktionen ist begrenzt und doch gibt es kaum eine Alternative.
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Image caption Nur selten treffen russische Öltanker auf Hindernisse, wie hier bei einer Blockade-Aktion von Greenpeace im April 2022
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Item 19
Id 51881759
Date 2024-04-25
Title Der "Fall Weinstein" - Chronik eines Skandals
Short title Der "Fall Harvey Weinstein": eine Chronik
Teaser Mehr als 100 Frauen werfen Harvey Weinstein sexuelle Belästigung oder Vergewaltigung vor. Ein Gericht in New York hatte den Filmproduzenten 2022 schuldig gesprochen. Jetzt wurde das Urteil aufgehoben.

Alles beginnt mit einem Tweet - wie so viele Geschichten heutzutage, die sich in kürzester Zeit zu einem Skandal auswachsen. Die US-Schauspielerin Rose McGowan beschuldigt in einem Tweet einen namentlich nicht genannten, einflussreichen Filmproduzenten aus Hollywood, sie vergewaltigt zu haben - unter dem Hashtag #WhyWomenDontReport (Warum Frauen nichts melden).

Der Tweet erscheint, kurz nachdem sich gerade bekannte US-amerikanische Persönlichkeiten aus der Film- und TV-Branche dem öffentlichen Vorwurf sexueller Belästigung von Frauen stellen müssen, unter ihnen der bekannte US-Schauspieler Bill Cosby und Bill O'Reilly, prominenter Fernsehmoderator beim US-Sender Fox News.

Obwohl in der Filmbranche und in Hollywood seit langem Gerüchte über Weinsteins fragwürdiges Verhalten gegenüber Frauen kursieren, wird das nie aktenkundig. 2015 geht bei der New Yorker Polizei ein Grapscher-Vorwurf gegen den bekannten Filmproduzenten ein, aber es wird keine Anklage gegen Harvey Weinstein erhoben.

Die "New York Times"-Journalistin Jodi Kantor, die sich für eine Reportage mit sexueller Belästigung am Arbeitsplatz beschäftigt, wird auf den Tweet von McGowan aufmerksam und kontaktiert die Schauspielerin, um mehr über den Vorwurf gegen Weinstein zu erfahren. Das Gespräch der beiden Frauen bringt den Ball ins Rollen.

Zusammen mit ihrer Kollegin Megan Twohey veröffentlicht Kantor die Vorwürfe gegen Harvey Weinstein, die Filmbranche und die weltweite Öffentlichkeit reagieren geschockt. Der nachfolgende Skandal führt zu einer umfangreichen strafrechtlichen Untersuchung der angeblichen sexuellen Übergriffe des ehemals mächtigen und einflussreichen Film-Moguls.

"Sie hatte Angst, Weinstein würde sie vernichten"

Jodi Kantors Artikel erscheint am 5. Oktober 2017 in der "New York Times". Darin beschuldigten ihn mehrere Frauen, die über Jahrzehnte mit Weinstein als Produzent zusammengearbeitet hatten, der Vergewaltigung, sexueller Belästigung und der Einschüchterungsversuche. Schauspielerinnen wie Rose McGowan und Ashley Judd packten zahlreiche intime Details über ihre Erfahrungen mit dem Filmproduzenten aus. Nachdem sie den Anfang gemacht haben, meldeten sich in kurzer Zeit weitere Opfer Weinsteins.

Nur ein paar Tage später, am 10. Oktober 2017, veröffentlichte der Journalist Ronan Farrow im Magazin "The New Yorker" das Ergebnis seiner Recherchen im "Fall Weinstein". Er konnte Aussagen von weiteren 13 Frauen anführen, die ausgesagt haben, von Weinstein mehrfach sexuell belästigt worden zu sein.

Einige Anschuldigungen liegen Jahrzehnte zurück, andere waren relativ aktuell. Farrow fand einen plausiblen Grund dafür, warum Weinstein nicht viel früher angezeigt wurde. Das Zitat der italienischen Schauspielerin und Regisseurin Asia Argento zeigte das Dilemma der Opfer: "Sie hatten Angst, Weinstein würde sie vernichten." Sie wisse, dass er schon viele Karrieren zerstört habe, so Argento weiter. "Deshalb ist diese Geschichte - bei mir liegt sie 20 Jahre zurück - auch nicht früher rausgekommen."

Diese Bekenntnissen der Opfer von Weinstein führten schließlich dazu, dass der Hashtag #MeToo weltweit als Kampagne gegen jede Form der sexuellen Übergriffe bekannt und im Netz genutzt wurde.

Chronologie eines Niedergangs

Die Berichte der US-Journalisten Kantor und Farrow führten nicht nur zu einem öffentlichen Aufschrei, sie hatten auch drastische Konsequenzen für Harvey Weinstein und seine Filmproduktionsfirma The Weinstein Company. Weinstein verlor alles, was er über Jahrzehnte als erfolgreicher Filmproduzent aufgebaut hat.

Was geschah aber in der Zeit zwischen den ersten Enthüllungen und dem Vergewaltigungsprozess? Die folgende Chronologie listet die wichtigsten Ereignisse im "Fall Weinstein" bis zur Anklage gegen den Hollywood-Mogul wegen sexueller Übergriffe und Vergewaltigung auf:

● 5. Oktober 2017: Unmittelbar nach der Veröffentlichung von Jodi Kantors erstem Artikel in der "New York Times" sagt Weinstein der amerikanischen Zeitung: "Ich respektiere alle Frauen und bedauere, was passiert ist." Er droht damit, die Zeitung zu verklagen.

● 8. Oktober 2017: Weinstein wird von seiner eigenen Firma The Weinstein Company gefeuert. Gegründet hat sie Weinstein 2005 mit seinem Bruder Bob Weinstein, nachdem sie ihre erste Firma Miramax an den Disney-Konzern verkauft hatten.

● 9. Oktober 2017: Prominente Hollywood-Schauspieler wie George Clooney und Meryl Streep verurteilen die beschuldigten Handlungsweisen des Filmproduzenten als "unverantwortlich".

● 14. Oktober 2017: Nach weiteren Vorwürfen gegen Harvey Weinstein stimmt die Academy of Motion Picture Arts and Science, die Organisation hinter der Oscar-Verleihung, für den Ausschluss des erfolgreichen Filmproduzenten.

● 17. Oktober 2017: Weinstein scheidet auch aus dem Vorstand seines Unternehmens The Weinstein Company aus.

● 11. Februar 2018: Die Staatsanwaltschaft des Bundesstaates New York erhebt Klage gegen die Weinstein Company und behauptet, dass das Studio es versäumt habe, weibliche Mitarbeiter vor mutmaßlicher sexueller Belästigung und Missbrauch zu schützen.

● 19. März 2018: Die Filmproduktionsfirma The Weinstein Company meldet Konkurs an. Alle Schweigeabkommen Weinsteins mit mutmaßlich betroffenen Frauen seien hinfällig, sie könnten vor Gericht frei sprechen.

● 1. Mai 2018: Die US-Schauspielerin Ashley Judd verklagt Harvey Weinstein.

● 25. Mai 2018: Angeklagt wegen Vergewaltigung und sexueller Übergriffe gegen zwei Frauen stellt sich Weinstein der New Yorker Polizei, gegen Zahlung einer Kaution kommt er auf freien Fuß.

● 5. Juni 2018: Weinstein plädiert auf nicht schuldig. Innerhalb eines Monats wird er in einem dritten Fall angeklagt, in dem er sich ebenfalls nicht schuldig erklärt.

● 23. Mai 2019: Mit den Anklägern gibt es eine "vorläufige" Vereinbarung zur Beilegung der Zivilprozesse wegen sexuellen Fehlverhaltens . Laut Medienberichten soll sich die Summe auf insgesamt mehr als 40 Millionen Dollar belaufen. Die Einigung kommt jedoch nicht zustande, mehrere Klägerinnen lehnen sie ab.

● 25. September 2019: Jodi Kantor und Meghan Twohey, Reporterinnen bei der "New York Times", veröffentlichen das Buch "She Said", in dem sie ausführlich über die Vorwürfe gegen Weinstein berichten sowie über seine Einschüchterungstaktiken, um die Veröffentlichung zu verhindern.

● 5. Oktober 2019: Rowena Chen, eine ehemalige Weinstein-Assistentin, enthüllt in einer Reportage der "New York Times", dass der Filmproduzent ihr gegenüber übergriffig wurde.

● 11. Dezember 2019: Weinstein wird vom Staat New York zu einer Geldstrafe verurteilt, weil er die elektronische Fußfessel, die er tragen muss, unsachgemäß benutzt hat.

● 11. Dezember 2019: Eine vorläufige Grundsatzvereinbarung zur Beilegung der Zivilklagen von fast 30 Schauspielerinnen und ehemaligen Mitarbeiterinnen gegen Harvey Weinstein wird getroffen. Die Entschädigungssumme, die Weinstein zahlen will, beträgt 25 Millionen Dollar. Es gibt eine Klausel, nach der er keinerlei Schuld eingestehen muss. Nicht alle betroffenen Frauen sind damit einverstanden und planen, sie juristisch anzufechten.

● 6. Januar 2020: Vor einem New Yorker Gericht ist der erste Verhandlungstag des mehrfach vertagten Prozesses angesetzt. Hollywood-Produzent Harvey Weinstein (67) ist in nur zwei Fällen angeklagt, alle anderen Vorfälle sind juristisch verjährt.

● 13./14. Februar 2020: Die Schlussplädoyers im Weinstein-Prozess zeichnen zwei völlig unterschiedliche Bilder: Während Weinsteins Chefanwältin Donna Rotunno in ihrer Ansprache versucht, Zweifel an den Aussagen der gehörten Zeuginnen zu säen und auf unschuldig plädiert, bezeichnet Staatsanwältin Joan Illuzzi-Orbon den Ex-Film-Mogul als "Herr des Universums, der auf Ameisen trat". Sie wirft ihm vor, seine Macht nach dem "Muster eines Raubtiers" missbraucht zu haben.

● 18. Februar 2020: Die Geschworenen ziehen sich zurück, um ihr Urteil zu fällen.

● 24. Februar 2020: Die Jury spricht den früheren Film-Mogul in zwei von fünf Anklagepunkten schuldig: wegen Vergewaltigung und sexueller Nötigung. Von einem weiteren Vorwurf der Vergewaltigung spricht die Jury Weinstein frei, ebenso von zwei Anklagepunkten wegen "raubtierhaften sexuellen Angriffs".

● 10. März 2020: Weinsteins Anwälte bitten um eine Gefängnisstrafe von fünf Jahren. Der Richter solle die Gesundheit und das Alter des Verurteilten berücksichtigen, heißt es in einem Schreiben, über das die Nachrichtenagentur Reuters berichtet.

● 11. März 2020: Das Strafmaß ist verkündet worden: Filmproduzent Harvey Weinstein soll für 23 Jahre ins Gefängnis.

● Im Februar 2023 wurde Weinstein in Los Angeles in einem weiteren Prozess wegen Vergewaltigung zu 16 Jahren Haft verurteilt.

● 25. April 2024: Der Oberste Gerichtshof von New York hebt das Weinstein-Urteil vom März 2020 auf und ordnet eine Neuverhandlung an.

Dies ist eine erweiterte Fassung eines früheren Artikels.

Short teaser Ein Gericht in New York hat den Filmproduzenten 2022 schuldig gesprochen. Jetzt wurde das Urteil aufgehoben.
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Item 20
Id 68919225
Date 2024-04-25
Title Gefälschte Euro-Münzen aus Spanien vermutlich in ganz Europa
Short title Gefälschte Euro-Münzen aus Spanien vermutlich in ganz Europa
Teaser In Spanien ist Gruppe von Geldfälschern zerschlagen worden. Zehn Personen sollen Euro-Münzen gefälscht und in ganz Europa in Umlauf gebracht haben. Wie kann man gefälschte Münzen erkennen?

Das Geld, mit dem wir bezahlen, ist nur bedrucktes Papier oder geprägtes Metall. Ist es elektronisch, wie zunehmend üblich, ist es nicht mehr als eine elektronische Datei. Der eigentliche Wert des Geldes besteht in dem Vertrauen, das ihm entgegen gebracht wird: Jeder Mensch soll sich darauf verlassen können, dass das Papier oder das Metall genau den Gegenwert hat, der ihm aufgedruckt oder eingeprägt ist.

Durch das Fälschen von Zahlungsmitteln entsteht ein gesamtwirtschaftlicher Schaden, der alle Menschen betrifft. Jene, die durch einen Zufall mit Falschgeld bezahlt werden oder es als Wechselgeld erhalten, kostet es auch: Denn Falschgeld wird eingezogen und man hat kein Recht auf einen finanziellen Ausgleich. Beim Geldfälschen versteht ein Staat keinen Spaß: Falschmünzerei ist kein Kavaliersdelikt.

Bedeutender Ermittlungserfolg in Spanien

Am Mittwoch meldet die Deutsche Presse-Agentur (dpa), die Policía Nacional in Spanien habe eine Geldfälscherbande zerschlagen, die in ganz Europa falsche Zwei-Euro-Münzen in Umlauf gebracht haben soll. Mit Hilfe der über Staatsgrenzen hinweg agierenden Polizeiorganisation EuropoI sei es gelungen, in der Provinzhauptstadt Toledo eine Fälscherwerkstatt auszuheben - "die wichtigste der vergangenen zehn Jahre in Europa", so die Polizei.

Die Bande habe fast 500.000 gefälschte Münzen "von hoher Qualität" auf den europäischen Markt gebracht. Zehn Menschen, die ausnahmslos chinesische Staatsbürger sein sollen, seien festgenommen worden. Die Policía Nacional teilte mit, sie ermittle bereits seit sechs Jahren in diesem Fall. Die Ermittlungen, zitierte die dpa die Beamten "waren äußerst schwierig und langwierig, nicht zuletzt wegen der Geheimhaltung innerhalb der Organisation sowie wegen der praktisch nicht vorhandenen Rückverfolgbarkeit, die für Falschmünzen charakteristisch ist".

Auch wenn der volkswirtschaftliche Schaden in diesem konkreten Fall nicht sehr groß gewesen sein dürfte (eine halbe Million falscher Zwei-Euro-Münzen hat lediglich einen "Gegenwert" von einer Million Euro), ist der Erfolg der Polizei nicht gering zu schätzen. Wer unbehelligt über einen langen Zeitraum hinweg gefälschte Münzen erfolgreich in Umlauf bringt, kann seine Energie und Expertise auch erweitern. Vor allem ist hier der psychologische Aspekt, den Bürgern versichern zu können, ihr Geld sei sicher und behalte seinen Wert, wichtig.

Auch Münzen sind in Europa relativ sicher

Gefälschte Geldscheine kann man relativ einfach erkennen. Die Sicherheitsvorkehrungen, die die Notenbanken getroffen haben, sind ausgeklügelt und gut kommuniziert. Beinahe jeder weiß um ihre "Sicherheitsfeatures" - um den Sicherheitsfaden, die eingearbeiteten Hologramme, die nur schwer zu kopierenden Hintergründe, die Qualität des Papiers. Bei Münzen sieht das zwar anders aus, denn bei ihnen gibt es keine Hologramme oder Sicherheitsfäden. Aber es gibt auch beim "Kleingeld" Dinge, die ein Fälscher oft nicht hinbekommt und auf die es sich zu achten lohnt.

Wie erkenne ich falsche Münzen?

In Deutschland ist die Bundesbank für die deutschen Euro-Münzen verantwortlich. Sie gibt auf ihrer Internetseite "Leitfaden Münzen" Hinweise zur Sicherheit der Geldstücke. "Um Fälschungen von echten Münzen unterscheiden zu können, braucht man kein Münzfachmann zu sein", erfährt man dort. Die Bundesbanker geben konkrete Hinweise, wie man Geldstücke beurteilen kann. Für Profis ist das kein Problem, denn "für Münzprüfgeräte" gebe es einen europaweit einheitlichen Test. "Die erfolgreich getesteten Geräte sind auf der Internetseite der Europäischen Kommission zu finden."

Dem Laien hilft das natürlich nicht, ihnen empfehlen die Währungshüter, "auf den ersten Eindruck" zu achten. So hebe sich normalerweise "das Münzbild deutlich von der übrigen Münzoberfläche ab." Alle Konturen seien "klar erkennbar". Vorsicht, wenn das nicht zutrifft: Bei Fälschungen "wirkt das Münzbild oft unscharf und weich ausgeprägt. Die Oberfläche ist narbig und weist Flecken, Sprenkeln, Linien oder Einkerbungen auf."

Auf einen anderen Umstand sollte man auf jeden Fall achten: Zur Sicherheit und auch um blinden Personen das Erkennen von Münzen zu erleichtern, ist der Münzrand charakteristisch eingekerbt. "Im Gegensatz zu Falschmünzen, bei denen die Randschrift oft nur undeutlich eingeprägt ist und von der Riffelung im Münzrand überdeckt wird, ist bei echten Zwei-Euro-Münzen die Randschrift deutlich zu erkennen. Auch die Abstände zwischen den einzelnen Symbolen und Wörtern weichen bei Falschmünzen häufig von denen echter Münzen ab."

Der Trick mit dem Magneten

In der Bundesbank-Zentrale scheint man davon auszugehen, dass jeder Mensch einen Magneten mit sich herumträgt: "Aufgrund eines speziellen Sicherheitsmaterials ist der Mittelteil der Ein- und Zwei-Euro-Münzen leicht magnetisch, das heißt: Die Münzen werden von einem Magneten leicht angezogen und fallen bei leichtem Schütteln wieder vom Magneten ab."

Aber: "Der äußere Münzring der echten Ein- und Zwei-Euro-Münzen sowie der echten 10-, 20- und 50-Cent-Münzen ist nicht magnetisch", wissen die Fachleute und fügen hinzu: "Echte Ein-, Zwei- und Fünf-Cent-Münzen aus kupferbeschichtetem Stahl sind stark magnetisch." Doch neben einem Magneten sollte man auch einen Zettel einstecken, auf dem man sich alle physikalischen Parameter notiert. Dann wird man auch nicht übertölpelt, denn "die gefälschten Ein- und Zwei-Euro-Münzen sind entweder nicht magnetisch oder werden von einem Magneten stark angezogen. Häufig ist auch das Material des Münzrings magnetisch."

Short teaser In Spanien ist eine Gruppe von Geldfälschern zerschlagen worden. Wie kann man gefälschte Münzen erkennen?
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Image caption Euromünzen im Portemonnaie - wenn die mal alle echt sind ...
Image source Robin Utrecht/picture alliance
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Item 21
Id 68910591
Date 2024-04-25
Title Automesse Peking: Letzte Chance für deutsche Hersteller?
Short title Automesse Peking: Letzte Chance für deutsche Hersteller?
Teaser In Peking startet die weltweit wichtigste Automesse. Denn China ist für viele Autohersteller der wichtigste Markt der Welt. Das gilt vor allem für Volkswagen. Größter Konkurrent dort sind: die Chinesen.

In keinem anderen Land werden so viele Elektroautos verkauft wie in China. Und in keinem anderen Land tobt derzeit ein vergleichbar erbitterter Preiskampf, um dabei die Nase vorn zu haben oder vorn zu halten. "Im April haben wir eine weitere Runde von Preissenkungen gesehen, der heftige Preiswettbewerb wird in den nächsten Jahren anhalten", sagte VW-Vorstandsmitglied Ralf Brandstätter vor der am Donnerstag beginnenden Automesse in Peking.

Dabei will sich Volkswagen laut Brandstätter in den kommenden beiden Jahren auf den anhaltenden Preiswettbewerb vorbereiten – und das Geschäft mit seinen E-Autos mit den nach wie vor gut laufenden Verkäufen von Verbrenner-Autos finanzieren. Das bedeute für Volkswagen allerdings auch zwei schwere Jahre. Dem stimmt der unabhängige Auto-Analyst Jürgen Pieper zu. "Der Volkswagen-Konzern steht in China gewaltig unter Druck und wird sich diesem sehr harten Preiswettbewerb stellen müssen. In rund zwei Jahren sollte man die Kurve kriegen. Aber das ist im Moment mehr Hoffnung als fester Glaube."

BYD verkauft in China mehr Autos als VW

China ist der wichtigste Absatzmarkt der deutschen Autohersteller Volkswagen, Mercedes und BMW. Ein Absatzmarkt, den sie in der Vergangenheit mit ihren Verbrennern dominiert haben. Chinesische Hersteller konnten nie mit der historisch langen Tradition und der ausgereiften filigranen Technik von Autos "Made in Germany" mithalten. Nur sieht die Sache bei E-Autos nun anders aus. So hat etwa BYD Volkswagen als den Konzern, der im Reich der Mitte die meisten Autos verkauft, abgelöst.

BYD steht für "Build Your Dreams". Erwachsen sind die Träume auf der grünen Wiese der E-Mobilität. Ausgemalt und vergrößert wurden die Träume auch mithilfe staatlicher Subventionen. Doch mit mindestens ebenso viel Erfindergeist haben sich die Träume mittlerweile tatsächlich auf Chinas Straßen materialisiert. Softwareentwicklung und Technik treffen offenbar den Geschmack: BYD hat mittlerweile einen Marktanteil von 25 Prozent bei Elektroautos. Zum Vergleich: Der E-Auto-Pionier Tesla bringt es auf knapp 12 Prozent, Volkswagen bringt es nicht einmal mehr auf fünf Prozent. Und BYD hat technologisch mit seinen Batterien einen deutlichen Vorsprung.

Dabei ist diese Entwicklung in ihrer Brisanz kaum zu unterschätzen. Denn bereits in diesem Jahr erwartet man in China, dass der Anteil von E-Autos an allen verkauften Fahrzeugen bei rund 40 Prozent liegen wird. Im kommenden Jahr soll jedes zweite Auto, das in China verkauft wird, bereits ein Stromer sein.

Schwache Nachfrage nach E-Autos weltweit

Nicht nur für deutsche Autohersteller kommt erschwerend hinzu, dass in jüngster Zeit auch der vorher boomende Automarkt in China an Fahrt verloren hat. Dabei treffen die Auswirkungen dieser Entwicklungen die deutschen Hersteller unterschiedlich. Während Volkswagen derzeit am meisten zu kämpfen hat, sind Hersteller wie BMW oder Mercedes weniger betroffen. Sie sind eher im Markt für hochpreisige Modelle unterwegs - und da können sie, soweit abzusehen, mit anderen Herstellern mithalten.

Beim E-Auto-Pionier Tesla warten dagegen mittlerweile viele produzierte Autos auf den Höfen auf Kaufinteressenten. Die vergleichsweise schwache Nachfrage in China und die Konkurrenz chinesischer Autobauer, die auch preiswertere Modelle in ihrem Angebot haben, führt zu Rabattschlachten bei den Herstellern, was die Margen stark eingrenzt.

Dabei schwächelt aber auch in Deutschland der Verkauf von Elektroautos. Im Nachgang der hohen Inflation halten sich Verbraucher mit dem Kauf von Neuwagen zurück, die Ladeinfrastruktur ist gelinde gesagt lückenhaft und dann sind E-Autos im Vergleich zu Verbrennern noch sehr teuer. Hinzu kommt die zuletzt schwächelnde Konjunktur, die die Nachfrage bremst und vergleichsweise hohe Zinsen, die die Finanzierung neuer Autos erschweren. Nach jüngsten Zahlen des Kraftfahrtbundesamtes (KBA) ist die Zahl an Neuzulassungen reiner Elektroautos im ersten Quartal dieses Jahres um mehr als 14 Prozent zurückgegangen.

Tesla und VW straffen Kosten

Auf den schleppenden Absatz seiner Fahrzeuge hat Tesla in den vergangenen Tagen reagiert: Sein exzentrischer Chef Elon Musk hat angekündigt, weltweit jede zehnte Stelle im Konzern abbauen zu wollen. Am Vorabend der Automesse in Peking hat Tesla den ersten Umsatzrückgang in einem Quartal seit vier Jahren ausgewiesen. Die Gewinne haben sich halbiert. Auch die Auslieferungen an neuen Fahrzeugen lagen im ersten Quartal dieses Jahres um knapp neun Prozent unter dem Vorjahr. Am vergangenen Wochenende hatte Tesla nochmals die Preise für einige seiner Modelle gesenkt.

Auch in Wolfsburg sieht man Handlungsbedarf im Unternehmen. So hat Volkswagen vor wenigen Tagen eine interne Mitteilung verschickt und angekündigt, die Personalkosten in der Verwaltung um 20 Prozent senken zu wollen. Erreichen will man das etwa durch eine Ausweitung von Altersteilzeit oder Abfindungen für jüngere Beschäftigte in der Verwaltung.

Die Neuordnung des Automarktes nimmt weiter Fahrt auf. Nächster Stopp: Die Automesse in Peking.

Short teaser China ist für viele Autohersteller der wichtigste Markt der Welt. Das gilt vor allem für Volkswagen.
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Item URL https://www.dw.com/de/automesse-peking-letzte-chance-für-deutsche-hersteller/a-68910591?maca=de-VEU-Volltext-Blickpunkt-Lateinamerika-12973-html-copypaste
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Image caption Auftakt zur Automesse Peking 2024, hier bei Volkswagen
Image source Thomas Peter/REUTERS
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Item 22
Id 68913614
Date 2024-04-25
Title Proteste in Argentinien: Wie angezählt ist Präsident Milei?
Short title Proteste in Argentinien: Wie angezählt ist Präsident Milei?
Teaser Hunderttausende haben gegen den radikalen Sparkurs von Javier Milei protestiert. Der ultraliberale Präsident will Argentiniens Haushalt um jeden Preis sanieren. Beim Bildungssektor hat er womöglich den Bogen überspannt.

Die Motorsäge ist das Symbol seiner Politik: Präsident Javier Milei will den argentinischen Staat und seine Ausgaben auf ein Minimum zurechtstutzen. Mit dieser Devise war er in den Wahlkampf gezogen, so hat er die Wahl im November 2023 gewonnen, und so verfährt er nun auch.

Nach 15 Jahren defizitärer Haushaltspolitik und drei Staatspleiten in 25 Jahren hat sich die argentinische Wählerschaft mehrheitlich auf die offen angekündigte Rosskur eingelassen. Doch nun scheint der Rückhalt zu bröckeln. Am Dienstag sind in Argentinien landesweit Hunderttausende auf die Straße gegangen, um gegen die radikale Sparpolitik zu protestieren.

Historische Massendemonstrationen

Allein in der argentinischen Hauptstadt versammelten sich nach Polizeiangaben rund 100.000 Demonstranten, die Universität von Buenos Aires sprach von mehr als 500.000. Die tatsächliche Zahl dürfte wie so oft in der Mitte liegen.

Hinzu kamen Kundgebungen in vielen weiteren Universitätsstädten verstreut über das ganze Land, darunter Tucuman, Cordoba, Corrientes und Ushuaia. Sogar vor dem argentinischen Konsulat in Barcelona (Spanien) solidarisierten sich Menschen mit den Demonstranten auf der anderen Seite des Atlantiks. Einige Medien zählen die Proteste zu den größten seit 20 Jahren.

Ein Warnschuss für Milei

Proteste gegen die Regierung von Javier Milei gibt es praktisch seit Beginn seiner Amtszeit Anfang Dezember. Viele davon seien "bedeutende Demonstrationen" gewesen, sagt Facundo Cruz, Politologe von der Universität Buenos Aires: "Aber sie gingen alle von bestimmten politischen Sektoren aus."

Im Januar etwa rief die größte Gewerkschaft des Landes CGT einen Generalstreik aus. Die CGT ist eng mit der peronistischen "Unión por la Patria" (Einheit für das Vaterland) verbunden. Die größte Oppositionspartei hat unter anderem mit Cristina Fernandez de Kirchner an der Spitze in den letzten 20 Jahren Argentiniens Politik dominiert.

In dieser Woche aber, sagt Cruz, sei es anders gewesen: "Diese Demonstration war sektorübergreifend. In vielen Landesteilen waren sogar Menschen dabei, die die Regierung gewählt haben und sich in Umfragen weiterhin für sie aussprechen würden."

Streit um die Hochschulfinanzierung

Maßgeblich für die Beteiligung über das gesamte politische Spektrum hinweg, sagt Cruz, sei der Grund für den Protest: Die Regierung hatte das Budget der öffentlichen Universitäten nominal auf dem Vorjahresniveau belassen. Nach einer Inflation von 280 Prozent in den vergangenen zwölf Monaten bedeutet dies eine reale Kürzung von rund 65 Prozent.

"Für die argentinische Gesellschaft unterschied sich Argentinien vom Rest Lateinamerikas immer dadurch, dass die kostenlose öffentliche Bildung ein Garant der sozialen Mobilität war", erklärt die argentinische Politologin Mariana Llanos vom Hamburger GIGA Institut für Lateinamerika-Studien. "Die Argentinier können sich mit vielen Einschnitten arrangieren, aber die Bildung ist ein sehr sensibles Thema." Milei habe sich mit diesen drastischen Einsparungen ein Eigentor geschossen.

Wie beliebt ist Milei nach fünf Monaten im Amt?

Dass viele Argentinier, wie Llanos sagt, zu Opfern bereit seien, um Staatshaushalt und Wirtschaft wieder auf sichere Füße zu stellen, zeige sich auch in Mileis Zustimmungswerten: Selbst nach massiven Einschnitten und einer Entlassungswelle im öffentlichen Dienst sprechen sich weiterhin rund 50 Prozent der Argentinier für den ultraliberalen Reformkurs der Regierung aus.

Allerdings drückt nahezu die ganze übrige Hälfte auch ihre Ablehnung aus. Unschlüssig gegenüber Milei haben sich in Umfragen selten mehr als fünf Prozent der Befragten geäußert. Ein deutliches Zeichen für die Spaltung der argentinischen Gesellschaft, sagt Politologe Cruz.

Historisch fragil ist Mileis Position in der Legislative: Von den 329 Sitzen im argentinischen Kongress hat Mileis Partei "La Libertad Avanza" (Die Freiheit kommt voran) gerade einmal 45 inne (14 Prozent). Die Opposition sei geteilt, sagt Politologin Llanos. Mit der einen Hälfte könne Milei verhandeln, mit der anderen nicht.

Kann sich Milei im Amt halten?

Auch deshalb spekulieren Beobachter seit seiner Amtsübernahme darüber, wie lange sich der unkonventionelle Politiker wohl im Amt halten wird. Facundo Cruz sieht derzeit allerdings niemanden, die bereit und in der Position wäre, Mileis schwieriges Erbe anzutreten. Der amtierende Präsident hat eine grassierende Inflation und hohe Arbeitslosigkeit von seinen Vorgängern geerbt. Zudem gebe es in der Opposition keinen Konsens über einen politischen Gegenvorschlag, so Cruz. Solange die Zustimmung für ihn in der Bevölkerung so hoch bleibe wie bisher, sehe er daher nicht, dass Milei demnächst aus dem Amt gejagt werden könne.

Ähnlich schätzt Brian Winter, Chefredakteur des US-Politikmagazins "America's Quarterly", die aktuelle Situation ein. Er gibt aber zu bedenken: "Ein Präsident der kein Peronist ist, kann sich nie sicher sein. Insbesondere, wenn er den Haushalt derart zusammenkürzt." Bei den Protesten vom 23. April sei es allerdings nicht um Mileis grundsätzlichen Kurs gegangen, so Winter, sondern darum, wo gekürzt werden soll. Und wo eben nicht.

Für Mariana Llanos sind die drastischen Einsparungen im Bildungssektor ein großer und vor allem vermeidbarer politischer Fehler, der einen Wendepunkt markieren könnte: "Milei ist ein intelligenter Mann. Vielleicht wird er den Fehler auf irgendeine Weise korrigieren."

Short teaser Präsident Milei will Argentiniens Haushalt radikal sanieren. Beim Bildungssektor hat er womöglich den Bogen überspannt.
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Image caption Proteste gegen Einsparungen an den Universitäten: Demonstrationen gab es im ganzen Land. Allein hier in der Hauptstadt Buenos Aires sollen es mehrere Hunderttausend Teilnehmer gewesen sein
Image source Rodrigo Abd/AP/picture alliance
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Item 23
Id 68908858
Date 2024-04-24
Title Israels Wirtschaft auf dem Weg der Besserung
Short title Israels Wirtschaft auf dem Weg der Besserung
Teaser Der Überfall der Hamas auf Israel im vergangenen Oktober und der darauf folgende Krieg haben Israels Wirtschaft schwer getroffen. Doch während die Kämpfe noch andauern, beginnt Israel, sich wirtschaftlich zu erholen.

Obwohl Israels Regierung die statistischen Daten für das erste Quartal 2224 noch nicht veröffentlicht hat, gibt es Grund zur Erleichterung: Die jüngsten Daten vom Arbeitsmarkt, die die Zentrale Statistikbehörde gemeldet hat und die Informationen, die die Bank of Israel zu Kreditkartentransaktionen bekannt gegeben hat, legen die Annahme nahe, dass sich die Wirtschaft des Landes vom Schock des 7. Oktober und den darauf folgenden kriegerischen Auseinandersetzungen erholt.

Im vierten Quartal 2023 war die Wirtschaftsleistung nach den Terrorattacken der Hamas deutlich eingebrochen - sie sank um 5,2 Prozent im Vergleich zum dritten Quartal. Das war zum großen Teil der Belastung des Arbeitsmarktes geschuldet, als 300.000 Reservisten einberufen worden waren.

Benjamin Bental, Wirtschaftsprofessor an der Universität von Haifa, sagt, der Arbeitsmarkt erhole sich gerade vom Schock, dass viele Arbeiter und Kleinunternehmer der Wirtschaft so plötzlich verloren gegangen waren. "Der Arbeitsmarkt stabilisiert sich tatsächlich recht schnell", sagte er der DW. "Er liegt noch nicht wieder auf dem Vorkriegsniveau, aber die Arbeitslosenquote liegt gegenwärtig einen Prozentpunkt unter der vom September 2023."

Die Rückkehr vieler Reservisten von der Truppe hätte die Arbeitsmarktlage entspannt, und gleichzeitig legten die Kreditkartendaten den Schluss nahe, dass der Optimismus der Verbraucher nach dem großen Einbruch im Herbst 2023 zurückkehre.

Palästinenser fehlen auf israelischen Baustellen

Dennoch, so Bental, litten einige Sektoren noch immer schwer unter dem Mangel an Arbeitskräften, allen voran das Baugewerbe. Vor allem, weil diese Branche in starkem Maße von palästinensischen Arbeitern abhing. Diese waren aus der besetzten Westbank zur Arbeit nach Israel gekommen - das ist wegen der verschärften Sicherheitsmaßnahmen nun nicht mehr möglich.

Ungefähr 75.000 Palästinenser waren täglich zwischen der Westbank und den Baustellen in Israel gependelt. Ihr Fehlen hat die Bautätigkeit fast zum Erliegen gebracht: Der Wohnungsbau brach zum Ende 2023 um 95 Prozent ein. Die Branche hat sich etwas erholt, weil sie tausende Arbeiter aus Indien, Sri Lanka und Usbekistan verpflichtete, um ihre Bauvorhaben beenden zu können. Das ganze Bild werde aber erst sichtbar, wenn alle Daten zum ersten Quartal vorliegen.

Der Krieg und das israelische Haushaltsdefizit

Der Krieg hatte die Regierung gezwungen, die Staatsausgaben dramatisch zu steigern - hauptsächlich für Verteidigungszwecke, aber auch für Wiederaufbaumaßnahmen nach den Terroranschlägen und Neubauten für zehntausende Israelis, die aus dem Norden und dem Süden des Landes hatten fliehen müssen.

Im vergangenen Monat hat Israel einen berichtigten Haushalt für dieses Jahr bekannt gegeben, der 584 Milliarden Schekel, das entspricht rund 144 Milliarden Euro, umfasst. Dabei wurde ein Staatsdefizit von 6,6 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) in 2024 vorhergesagt - ursprünglich hatte man 2,25 Prozent erwartet.

Benjamin Bental sagt indes, das sei deutlich untertrieben und ein Defizit von acht Prozent sei weit wahrscheinlicher. "Das erscheint mehr oder weniger realistisch. Vorausgesetzt", fügt er mit Blick auf die Spannungen mit dem Iran hinzu, "dass es keine weitere Belastung der Sicherheitssituation gibt."

Der Staatshaushalt steht ganz offensichtlich unter Druck. Die Regierung plant, etwa 56 Milliarden Euro mehr an Schulden aufzunehmen und die Steuern zu erhöhen. Das, so die Regierenden, könnte das Land leisten: "Die ökonomischen Voraussetzungen sind gegeben, sagte Yali Rothenberg, Chef-Rechnungsprüfer im Finanzministerium, der Financial Times vor Veröffentlichung des Nachtragshaushalts. "Schauen Sie auf den High-Tech-Sektor, auf die Infrastrukturmaßnahmen und auf den privaten Konsum, dann sehen Sie: Das gibt die Wirtschaft her."

Wird Israels Verteidigung zu teuer?

Vor den Oktober-Attacken der Hamas war die israelische Wirtschaft in guter Verfassung. "Die Wirtschaft lief bemerkenswert gut", so Bental. "Die Inflation sank und die fiskalische Lage war völlig unter Kontrolle." Er weist darauf hin, dass Israel vor dem Überfall ein Wachstum von 3,5 Prozent anpeilte und dass das Land trotz der Erschütterungen im letzten Quartal 2023 ein Wachstum von zwei Prozent erreichen konnte.

Bental sagt, es gebe in den Straßen der großen Städte wie Tel Aviv und Haifa nur wenig Hinweise auf eine Kriegswirtschaft oder Anzeichen von Kürzungen oder Mangel. Hier zeige sich, dass die Erfahrungen aus vorherigen Kriegen und Krisen und deren Auswirkungen auf die Wirtschaft das Handeln der aktuellen Regierung beeinflusst.

Bental ist allerdings wegen der außergewöhnlichen Ausgaben für die Verteidigung besorgt. Während des Yom Kippur Krieges 1973 hatte der Staat die Verteidigungsausgaben dramatisch erhöht, bis zu einem "total untragbaren" Level von 30 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Gemeinsam mit der Ölkrise und einer allgemeinen Weltwirtschaftskrise habe der Konflikt zu einem "wirklichen ökonomischen Desaster" für Israel geführt. Das hatte zu einer sehr hohen Inflation und einer wirtschaftlichen Stagnation für beinahe zehn Jahre geführt.

Wenn nur die Kämpfe endeten

Bental zufolge hatte die Zweite Intifada der Palästinenser in der Zeit zwischen 2000 und 2005 mehr Ähnlichkeiten mit dem gegenwärtigen Konflikt, weil damals wie heute mehr Zivilisten involviert waren. "Man kann daraus etwas lernen über die Schäden, die aus einem Vertrauensverlust in der Bevölkerung und einem Verlust des persönlichen Sicherheitsgefühls während dieser Periode entstehen", sagt Bental. "Es gibt Schätzungen, dass während dieser Jahre des Konfliktes das israelische BIP deshalb etwa zehn Prozent verloren hat."

Als weiteres Beispiel nennt er den Konflikt mit der Hisbollah und dem Libanon 2006 - ein Konflikt der zeige, wie schnell sich die Wirtschaft erholen könne, wenn die Kämpfe aufhören. Bantal: "Wir reden von einer Situation, in der für etwa einen Monat im Norden Israels nichts mehr funktionierte. Aber wenn man sich die Daten anschaut und nach Spuren dieser Episode sucht, stellt man fest, dass da gar nichts zu sehen ist. Das ist wirklich erstaunlich. Die Wirtschaft hatte sich im Nullkommanichts wieder normalisiert."

Bental hofft, dass das auch diesmal der Fall sein wird, sobald der aktuelle Konflikt beendet ist. Im Moment wiesen einige Zeichen der Erholung in genau diese Richtung.

Dieser Beitrag ist aus dem Englischen adaptiert.

Short teaser Während die Kämpfe mit der Hamas noch andauern, beginnt Israel, sich wirtschaftlich zu erholen.
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Image caption Israelischer Alltag im Krieg - Straßenszene in Tel Aviv
Image source Hannah McKay/REUTERS
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Item 24
Id 68899515
Date 2024-04-24
Title Warum die EU und die USA gegen TikTok vorgehen
Short title Warum die EU und die USA gegen TikTok vorgehen
Teaser Die USA fordern einen Zwangsverkauf der chinesischen Video-App TikTok, die EU leitet ein weiteres Verfahren gegen sie ein. Wo liegt das Problem?

Es gibt wohl kaum eine andere App, die unter Kindern und Jugendlichen weltweit so beliebt ist wie TikTok - und kaum eine, die so umstritten ist. In den vergangenen Tagen zog die chinesische Videoplattform einmal mehr Ärger auf sich. Ein Überblick.

Warum soll TikTok in den USA gebannt werden?

Der US-Senat stimmte am späten Dienstag (Ortszeit) für einen Zwangsverkauf der App in den USA. Das US-Gesetz hatte damit auch die zweite Kongresskammer passiert, erst am Wochenende hatte auch das US-Repräsentantenhaus dafür gestimmt. Damit kommt es nun auf den Tisch von Präsident Joe Biden, der bereits ankündigte, dass er es unterschreiben wird.

TikTok soll sich demnach innerhalb von 270 Tagen von seinem chinesischen Mutterkonzern Bytedance lösen, gegebenenfalls könnte die Frist noch einmal um 90 Tage verlängert werden. Andernfalls müsste TikTok aus den App-Stores von Apple, Google und Co. entfernt werden. Zumindest ein neuer Download würde damit verhindert.

Die parlamentarische Initiative gegen Tiktok entspringt Datenschutzsorgen: Bytedance steht im Verdacht, der Kommunistischen Partei Chinas Zugriff auf die Nutzerdaten zu ermöglichen. In den USA sind das etwa 170 Millionen Menschen. Konkret wird befürchtet, dass Tiktok gezwungen werden könnte, Nutzerdaten herauszugeben. Außerdem könnte China Propaganda und Desinformation über den Algorithmus ausspielen. Das Unternehmen weist die Vorwürfe zurück.

Warum ermittelt die EU?

Auch die EU hat TikTok mal wieder im Visier - wenn auch aus gänzlich anderen Gründen. In einem neuen Verfahren soll geprüft werden, ob die Belohnungsfunktion der neuen App TikTok lite die psychische Gesundheit von Jugendlichen gefährdet und damit gegen EU-Regeln verstößt. Die neue App gibt es seit April und ist innerhalb Europas derzeit nur in Frankreich und Spanien verfügbar.

Große soziale Plattformen wie Facebook, X (ehemals Twitter), Instagram und eben auch TikTok müssen seit August 2023 die Vorgaben des Digital Services Act (DSA) erfüllen. Das Gesetz über digitale Dienste soll illegale oder schädliche Online-Aktivitäten verhindern. Auch sogenannte "dark patterns", also manipulative Praktiken, um Nutzer auf Plattformen zu halten, sind verboten.

Die EU-Kommission kritisiert, TikTok habe die neue App-Version "TikTok Lite" in den beiden EU-Mitgliedsstaaten eingeführt, ohne die Risiken vorab ausreichend zu bewerten. Der Konzern hatte bis zum 18. April Zeit, einen Bericht vorzulegen, die Frist aber zunächst verstreichen lassen. Er bekam eine neuen 24-Stunden-Frist eingeräumt und reichte die geforderte Risikoeinschätzung für die neue App nach eigenen Aussagen diesen Dienstag ein.

Damit wendete die für ihre Tanzvideos bekannte und besonders bei Jugendlichen beliebte Plattform eine Strafzahlung vorerst ab. Andernfalls hätte die EU Geldstrafen verhängen können - in Höhe von bis zu einem Prozent der gesamten Jahreseinnahmen. Auch die umstrittene Belohnungsfunktion der neuen App-Version (siehe unten) hätte blockiert werden können.

Schon im Februar hatte die EU ein Verfahren gegen TikTok eröffnet. Dabei ging es unter anderem um mutmaßlich mangelhaften Jugendschutz.

Warum gilt "TikTok Lite" als besonders süchtig machend?

"TikTok Lite" enthält ein neues Punkte-System, das es in der herkömmlichen TikTok-Version nicht gibt. Wer möglichst viele Videos schaut, Inhalte liked - also positiv bewertet - oder Freunde zu TikTok einlädt, erhält digitale Münzen. Diese Münzen können gegen Gutscheine ausgetauscht werden, zum Beispiel für den Online-Händler Amazon. Diese Funktion sei besonders süchtig machend, hieß es von der EU-Kommission.

Die App, die auch viele Tanz- und Mitsingvideos enthält, ist besonders bei Kindern und Jugendlichen beliebt. Laut den Nutzungsbedingungen müssen Nutzende mindestens 13 Jahre alt sein. Unter 18 Jahren müssen Eltern oder andere Erziehungsberechtigte zudem noch offiziell zustimmen. Es sei jedoch nicht erkennbar, ob das Alter wirksam überprüft werde, erklärte die Kommission weiter.

Macht TikTok generell süchtiger als andere soziale Medien?

Die Algorithmen von TikTok funktionieren etwas anders als die Algorithmen älterer Social-Media-Plattformen - und machen deshalb möglicherweise noch schneller süchtig. Anders als die bisherigen Plattformen zeigen sie von Anfang auch Videos, die andere Nutzende ansprechend fanden, statt vor allem Inhalte von abonnierten Konten abzubilden.

Und: TikToks Algorithmen sind höchst intelligent. Je mehr Zeit Nutzende auf TikTok verbringen, desto präziser werden die Vorhersagen, was gefallen könnte.

Das bleibt nicht ohne Folgen: In den USA verbringen junge TikTok-Nutzerinnen durchschnittlich mehr als 2,5 Stunden vor der App. Das geht aus einer Studie hervor, aus der die "Washington Post" im März 2023 zitierte. Von diesen Mädchen bezeichnet sich fast jede zweite als süchtig. Besonders anfällig sind demnach Mädchen mit Depressionen.

Ein Teil der Jugendlichen benutzt die App sogar mehr oder weniger immer. Laut dem US-amerikanischen Meinungsforschungsinstitut Pew Research mit Stand September 2023 verbringen etwa 17 Prozent der Jugendlichen ihre Zeit damit, eigentlich konstant ("almost constantly" ) durch die App zu scrollen. Ein Spitzenwert im Vergleich zu anderen Apps.

Dieser Artikel wurde am 24. April aktualisiert.

Short teaser Die USA fordern einen Zwangsverkauf der Video-App TikTok, die EU leitet ein weiteres Verfahren ein.
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Item 25
Id 68777948
Date 2024-04-09
Title Historisches Duell um die Präsidentschaft in Mexiko
Short title Historisches Duell um die Präsidentschaft in Mexiko
Teaser Bei den Präsidentschaftswahlen in Mexiko steht ein Ergebnis schon fest: Erstmals wird das Land eine Präsidentin bekommen. Die Kandidatinnen Claudia Sheinbaum und Xochitl Gálvez duellierten sich nun erstmals im TV.

Nach einer Blitzumfrage des Instituts Massive Caller unmittelbar nach der ersten TV-Debatte scheinen die Präsidentschaftskandidatinnen Claudia Sheinbaum und Xochitl Gálvez der jeweiligen Konkurrentin kaum Wähler abgejagt zu haben. Sie hätten vielmehr drei Viertel der Zuschauer der TV-Debatte in ihrer vorgefassten Meinung bestärkt.

Claudia Sheinbaum, ehemalige Bürgermeisterin von Mexiko-Stadt, ist enge Vertraute des amtierenden Präsidenten Andrés Manuel López Obrador, genannt AMLO. Die studierte Physikerin wurde am 18. Februar dieses Jahres zur offiziellen Präsidentschaftskandidatin der Morena-Partei gekürt und führt die Umfragen an.

An zweiter Stelle liegt Senatorin Bertha Xóchitl Gálvez Ruiz. Die Systemanalytikerin tritt für das Oppositionsbündnis Fuerza y Corazón por México an, in dem sich konservative (PAN), Mitte-Rechts- (PRI) und Linksparteien (PRD) zusammengeschlossen haben.

Größte Wahlen in Mexikos Geschichte

Bei den Mega-Wahlen am 2. Juni sind nach Angaben des Nationalen Wahlinstituts (INE) 98 Millionen Mexikanerinnen und Mexikaner aufgefordert, ihre Stimme abzugeben. Mexikos Präsident López Obrador darf nach sechs Jahren Amtszeit nicht erneut antreten.

Zum ersten Mal in der Geschichte Mexikos konkurrieren zwei Frauen um das höchste Amt in einem der größten Länder Lateinamerikas. Neben dem Präsidentenamt werden auch der Kongress, die Regierungen von neun Bundesstaaten sowie mehr als 20.000 öffentliche Ämter neu gewählt.

Statistenrolle für männlichen Kandidaten

In der TV-Debatte konfrontierten sich Sheinbaum und Gálvez Ruiz über weite Strecken mit persönlichen Korruptionsvorwürfen. Der dritte Bewerber, Jorge Alvarez Maynez von der kleinen Mitte-Links Partei Movimiento Ciudadano, versuchte sich als alternative Option zwischen den beiden ideologisch klar abgegrenzten Polen zu positionieren, spielte aber eher eine Statistenrolle.

Umfragen zufolge wollen am Wahltag 51 Prozent für Sheinbaum stimmen, 34 Prozent für Gálvez und sieben Prozent für Maynez. Zwischen 20 und 30 Prozent der Wahlberechtigten sind aber noch unentschieden oder antworteten nicht.

Vor dem Wahltermin soll es noch zwei weitere Debatten geben. Dabei kommen dann heiklere Themen wie die Sicherheitsstrategie und die Wirtschaftspolitik zur Sprache. In der ersten Debatte ging es vor allem um Soziales und Korruptionsbekämpfung.

Viele Vorschläge verpuffen

"Die knapp zweistündige Fernsehdebatte wirkte mit sieben Themen über weite Strecken steif und überfrachtet", sagte Florian Huber von der Heinrich-Böll-Stiftung in Mexiko der DW. "Die kurzen Zeitfenster für Antworten ließen kaum Raum für einen echten Schlagabtausch zwischen den Teilnehmenden."

Ähnlich sieht das die Generaldirektorin der Beraterfirma Consultores y Marketing Político, Gisela Rubach: "Während der Debatte kamen insgesamt 52 Reformvorschläge auf den Tisch", sagt sie. "Doch alles blieb wegen der kurzen Zeit oberflächlich, und kaum ein Zuschauer dürfte sich auch nur an fünf dieser Reformvorschläge erinnern", kritisierte sie im Radiosender Imagen.

Beliebte Sozialprogramme

Die 61-jährige Claudia Sheinbaum präsentierte sich als treue Gefolgsfrau von López Obrador und verwies auf ihre Erfahrung der vergangenen sechs Jahre als Hauptstadtbürgermeisterin von Mexico City.

López Obrador erfreut sich noch immer großer Beliebtheit. Etwa 65 Prozent der Bevölkerung stehen hinter ihrem linken Staatschef. Grund dafür könnte die von ihm vorangetriebene Ausweitung staatlicher Sozialprogramme sein.

So erhalten Menschen über 65 Jahre alle zwei Monate umgerechnet etwa 250 Euro Rente, Personen mit Behinderungen 150 Euro und alleinerziehende Mütter gut 80 Euro. Zudem verdoppelte López Obrador den Mindestlohn.

Die wirtschaftliche Entwicklung des Landes verläuft nach Angaben der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung OECD überraschend positiv. Für 2024 wird mit einem Wirtschaftswachstum von 2,5 Prozent gerechnet, 2023 lag die Rate bei 3,1 Prozent.

Die Staatsverschuldung liegt bei knapp 50 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP), die Arbeitslosigkeit bei rund drei Prozent. Zum Vergleich: In den USA summieren sich die öffentlichen Schulden auf 124 Prozent des BIP.

Ausufernde Kriminalität

Trotz der positiven wirtschaftlichen Entwicklung bietet die Bilanz von López Obrador viele Angriffsflächen. Mexikanische Hochschulen leiden unter Finanznot. In der Energiepolitik setzt AMLO trotz des Klimawandels auf den Ausbau fossiler Energien.

Einen schweren Rückschlag erlitt er bei seinem Versuch, den staatlichen Mineralölkonzern Pemex zu retten. Die dafür notwendige Verfassungsänderung scheiterte an der fehlenden Zweidrittelmehrheit im Parlament.

Beim Thema öffentliche Sicherheit ist die Lage verheerend. Nach Angaben des mexikanischen Statistikamtes ENEGI wurden 2022 in Mexiko täglich 85 Morde verübt. 2021 waren es 91 Fälle täglich.

Und als ob das nicht genug wäre, wurde dieser Tage das 140.000-Einwohner-Städtchen Colima in einer Studie zur gewalttätigsten Stadt der Welt gekürt. Unter den zehn gefährlichsten Städten weltweit sind allein neun aus Mexiko.

Dieser Artikel wurde am 9. April erweitert und aktualisiert.

Short teaser Bei den Wahlen in Mexiko steht schon fest: Erstmals wird das Land eine Präsidentin bekommen: Sheinbaum oder Gálvez?
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Image caption Im mexikanischen Wahlkampf führen Claudia Sheinbaum (links) und Xóchitl Gálvez (rechts) die Umfragen an
Image source Ulises Ruiz/AFP/Fernando Llano/AP/picture alliance
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Item 26
Id 68770540
Date 2024-04-08
Title Tech-Milliardär Elon Musk legt sich mit Brasiliens Justiz an
Short title Tech-Milliardär Elon Musk legt sich mit Brasiliens Justiz an
Teaser "Schande über Dich": US-Milliardär Musk wirft Brasiliens Oberstem Richter Verfassungsbruch und Zensur vor. Der juristische Showdown versetzt das Land in Aufruhr und löst eine neue Welle politischer Polarisierung aus.

Ganz besonders hat Elon Musk es auf Alexandre de Moraes abgesehen, einen der zehn Richter am brasilianischen Verfassungsgericht(Supremo Tribunal Federal, STF).

"Warum fordern Sie so viel Zensur in Brasilien?", fragte er den Verfassungsrichter in einem Post am vergangenen Wochenende auf seiner Online-Plattform X, ehemals Twitter.

Kurz danach warf er Moraes in einem weiteren Post vor, die brasilianische Verfassung zu verletzen und die Bevölkerung zu hintergehen. Er forderte: "Moraes sollte zurücktreten oder seines Amtes enthoben werden. Schande über Dich, Alexandre".

Damit nicht genug. Musk kündigte auch an, er werde sich über die Verordnungen der brasilianischen Justiz hinwegsetzen und die gesperrten Konten im Netzwerk wieder freischalten.

Moraes hatte die Plattform X angewiesen, bestimmte Konten zu sperren - darunter auch die eines Bloggers und zweier Kongressabgeordneter. Schon seit längerem geht das Gericht gegen "digitale Milizen" vor, die Desinformation und Hetze im Netz verbreiten. Im Zuge der Ermittlungen ordnete Moraes die Schließung mehrerer Konten von Verdächtigen an.

Justiz ermittelt gegen Musk

"Wir heben alle Restriktionen auf", so Musk. "Dieser Richter hat hohe Strafen verhängt, er hat damit gedroht, unsere Mitarbeiter zu verhaften und den Zugang zu X in Brasilien zu blockieren. Wir werden wahrscheinlich unsere Niederlassung in Brasilien schließen müssen, aber die Prinzipien sind wichtiger als der Gewinn."

Die Reaktion von Moraes ließ nicht lange auf sich warten. Er ordnete an, dass die Bundespolizei Ermittlungen gegen Musk wegen Behinderung der Justiz und Anstiftung zu Straftaten einleitet.

Außerdem verfügte er, dass nun im Rahmen der Untersuchungen zur Existenz sogenannter antidemokratischer digitaler Milizen und deren Finanzierung auch gegen Musk ermittelt werde.

"Mythos der Freiheit"?

Die Konfrontation zwischen Musk und Moraes sorgt für eine neue Polarisierung in Brasilien. Während die New York Times den Richter auf ihrem Titel als "Verteidiger der Demokratie" feierte, bezeichnete Brasiliens Ex-Präsident Jair Bolsonaro Musk als "Mythos der Freiheit".

Bolsonaro rief seine Anhänger dazu auf, am 21. April an der Copacabana in Rio de Janeiro "für die Freiheit auf die Straße zu gehen". Bolsonaros Sohn Eduardo, Abgeordneter im brasilianischen Parlament, kündigte an, er wolle im Auswärtigen Ausschuss eine Anhörung zu den "Twitter Files und Zensur in Brasilien" mit Experten einberufen.

Streit um interne Twitter-Daten

Hinter dem Begriff "Twitter Files" verbirgt sich die Veröffentlichung ausgewählter interner X-Dokumente, die zwischen Dezember 2022 und März 2023 in dem Netzwerk veröffentlicht wurden. Musk übergab diese einigen Journalisten, darunter auch dem US-amerikanischen Autor Michael Shellenberger.

Der Klimaschutzskeptiker bezeichnet sich selbst als "libertären Aktivisten" und verteidigt kontroverse Positionen. Shellenberger wurde bereits mehrfach wegen der Veröffentlichung falscher Daten zu Umweltfragen angegriffen.

In einem Post auf X behauptete ernun, Brasilien stehe "am Rande einer Diktatur". "Das brasilianische Verfassungsgericht kann den Zugang zu Twitter jederzeit kappen. Es ist keine Übertreibung zu behaupten, dass Brasilien am Rand einer Diktatur steht, die von einem totalitären Verfassungsgericht ausgeht, das sich in den Händen des Richters Alexandre de Moraes befindet", schreibt er.

"Einseitige Zensur"

Shellenberger beschuldigt das höchste brasilianische Gericht, mehrere Rechtsverstöße begangen zu haben. So habe Moraes das Netzwerk verpflichtet, persönliche Daten von Nutzern herauszugeben, weil sie Hashtags veröffentlicht hätten, die Moraes "nicht gefielen".

Moraes habe außerdem Zugang zu den internen Daten des sozialen Netzwerks angefordert, was gegen die Richtlinien der Plattform verstoße. Er habe eine "einseitige Zensur" von Beiträgen brasilianischer Parlamentarier vorgenommen sowie versucht, das Netzwerk zur Bekämpfung von Anhängern des ehemaligen Präsidenten Jair Bolsonaro einzusetzen.

Der brasilianische Jurist Fernando Boscardin, der an der "School of Law" der Universität Miami unterrichtet, widerspricht. Es gehe Shellenberger nicht um freie Meinungsäußerung. "In Wirklichkeit will er die Regulierung von Social Media Plattformen nach europäischem Vorbild verhindern".

Gesetz gegen Fake News

In Brasilien steht laut Medienberichten nun die Abstimmung über ein Gesetz gegen Fake News im Kongress bevor. Der erste Entwurf stammt bereits aus dem Jahr 2020. Er war aufgrund des Widerstands der Tech-Konzerne und der Vertreter rechter Parteien mehrmals zurückgezogen worden, zuletzt im Mai 2023.

Aufgrund dieser Verzögerung erließ Brasiliens Oberstes Wahlgericht TSE am 27. Februar dieses Jahres mehrere Resolutionen mit Vorschriften für die bevorstehenden Kommunalwahlen am 6. Oktober. Diesen sehen vor, dass Wahlgerichte über "effiziente Instrumente verfügen, um Verzerrungen bei Parteienwerbung, Hatespeech, antidemokratischen Äußerungen oder bei dem Gebrauch von Künstlicher Intelligenz zu bekämpfen".

"Verstoß gegen nationale Souveränität"

Für die von der brasilianischen Tageszeitung O Globo befragten Fake-News-Experten gehen die jüngsten Äußerungen Elon Musks eindeutig zu weit. "Wenn ein Verstoß gegen die Verfassung vorliegen sollte, dann müsste Musk dies vor Gericht klären lassen", erklärt Juristin Yasmin Curzi, Professorin an der Universität Fundação Getulio Vargas in Rio de Janeiro.

Und sie fügt hinzu: "Die Ankündigung, sich über gerichtliche Anordnungen hinwegzusetzen, ist ein Verstoß gegen die nationale Souveränität".

Short teaser Milliardär Musk wirft Brasiliens Oberstem Richter Zensur vor. Der juristische Showdown versetzt das Land in Aufruhr.
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Item 27
Id 68744224
Date 2024-04-04
Title Stoltenberg: NATO wird Differenzen überwinden
Short title Stoltenberg: NATO wird Differenzen überwinden
Teaser NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg sagte der DW zum 75. Jahrestag der Allianz, die NATO sei das erfolgreichste Bündnis der Geschichte. Die USA würden ein fester NATO-Partner bleiben, auch mit Donald Trump.

In 75 Jahren hat die NATO viele Krisen durchlebt und manchen politischen Streit ausgehalten. Zurzeit mühen sich die Jubilare, die Einheit bei der Unterstützung der von Russland angegriffenen Ukraine zu wahren. Die USA zahlen im Moment nicht, weil der Kongress entsprechende Gesetze nicht verabschiedet. In einigen NATO-Staaten herrscht Skepsis, ob die Ukraine Russland wirklich besiegen kann. Die baltischen Staaten drängen auf mehr Hilfe. Immer wieder gibt es gegenseitige Vorwürfe, man liefere nicht schnell und umfassend genug Waffen.

NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg sieht die Streitigkeiten durchaus, aber in den zurückliegenden Jahrzehnten habe sich die Allianz immer wieder zusammengerauft. "Trotz dieser Differenzen sind wir immer fähig gewesen, uns für die Kernaufgabe, unseren Schutz und unsere Verteidigung, untereinander zu einigen", sagte Jens Stoltenberg in einem Interview mit der Deutschen Welle nach der Außenministertagung in Brüssel.

"USA mit NATO stärker als ohne"

Auch wenn bei den US-Wahlen im Herbst der radikale Republikaner Donald Trump wieder das Weiße Haus erobern würde, würden die USA ein standhaftes NATO-Mitglied bleiben, versicherte der Generalsekretär. "Denn das ist im Sicherheitsinteresse der USA. Die USA sind mit der NATO stärker als ohne", so Jens Stoltenberg. Die Kritik von Donald Trump habe sich ja nicht gegen die NATO als Bündnis, sondern gegen säumige einzelne NATO-Mitglieder gerichtet. Inzwischen seien die Ausgaben für Verteidigung gestiegen.

"Der Plan ist jetzt, dass alle NATO-Mitglieder, auch die USA, die notwendigen Entscheidungen treffen, um ihre Unterstützung für die Ukraine zu verstetigen." Die Mehrheit im US-Parlament und in der Bevölkerung sei dafür eigentlich da. Sie müsse jetzt noch richtig organisiert werden.

Die Lage der NATO an ihrem 75. Gründungstag sieht der im Herbst scheidende NATO-Generalsekretär aus Norwegen durchaus positiv. "Die NATO ist die stärkste und erfolgreichste Allianz der Geschichte, und zwar aus zwei Gründen: Weil wir vereint sind im gegenseitigen Schutz. Weil wir immer fähig waren, uns anzupassen, wenn die Welt sich verändert", sagte Stoltenberg der DW im NATO-Hauptquartier. Jetzt sei Russland die Bedrohung Nummer Eins. Entsprechend werde man handeln.

Ukraine bitte um mehr Luftverteidigung

"Ich möchte die Party ja nicht verderben," sagte der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba beim Jubiläumstreffen der NATO in Brüssel. Er sei gekommen, um mehr lebenswichtige Flugabwehr von der 75 Jahre alten Allianz einzufordern. "Ukrainische Leben, die Wirtschaft und Städte zu retten, hängt davon ab, ob es Patriot und andere Luftabwehrsysteme in der Ukraine gibt. Wir reden über Patriots, weil sie das einzige System sind, das ballistische Raketen abfangen kann, so Dmytro Kuleba.

Ob der ukrainische Außenminister konkrete Zusagen mit nach Hause nehmen kann, ist unklar. Auf jeden Fall gab es aber verbale Unterstützung, zum Beispiel von der deutschen Außenministerin Annalena Baerbock. Sie erinnerte daran, dass man die Ukraine in ihrem Abwehrkampf gegen den Angreifer Russland auch aus eigenen Interessen unterstütze. "Wenn sich die Ukraine nicht weiter verteidigen kann, dann droht der russische Angriffskrieg weiter Richtung europäische Grenzen, Richtung unserer eigenen NATO-Grenze zu kommen", warnte die deutsche Ministerin (Grüne).

Die Glaubwürdigkeit und die Zukunft der NATO hingen deshalb vom Zurückschlagen Russlands in der Ukraine ab. Ein Krieg, den die NATO mit gewinnen müsse, auch wenn die Ukraine noch kein Mitglied sei und das Beistandsversprechen aus Artikel 5 des NATO-Vertrages ja technisch nicht gelte. So lautet die Analyse des ehemaligen hohen NATO-Offiziellen Jamie Shea im Gespräch mit der Deutschen Welle. Zur Geburtstagsfeier hatten sich Hunderte NATO-Mitarbeiter und Militärs aus allen Mitgliedsstaaten im riesigen Atrium des Hauptquartiers in Brüssel versammelt.

Neuer 100 Milliarden-Fonds für die Ukraine?

Polen gehört zu den 22 Staaten, die die NATO seit ihrer Gründung als transatlantisches Bollwerk gegen die Sowjetunion 1949 aufgenommen hat. Der polnische Außenminister Radoslaw Sikorski sagte, sein Land könne sich glücklich schätzen: "Wir sind da, wo wir hingehören. In der Gesellschaft von Demokratien, umgeben von Freunden, die zusammen wie ein Fels zusammenstehen", betonte Sikorski und meinte den Widerstand gegen Russland, den die NATO nach 75 Jahren wieder als Hauptanliegen ansieht.

Ein Land schert allerdings aus. Ungarn, das 1999 der Allianz beitrat, weigert sich heute, eine gemeinsame NATO-Politik gegen Russland in vollem Umfang mitzutragen. "Das ist nicht unser Krieg, das ist nicht der Krieg der NATO", meinen ungarische NATO-Diplomaten mit Blick auf die russischen Eroberungsversuche in der Ukraine. Deshalb werde sich Ungarn auch weigern, einem Finanzierungspaket im Umfang von 100 Milliarden Euro für die Ukraine zuzustimmen.

Stoltenberg hatte diesen Vorschlag gemacht, um die Militärhilfe für die Ukraine zu verstetigen. So richtig begeistert waren von dem Vorschlag nur wenige Ministerinnen oder Minister, denn er würde höhere Finanzzusagen erfordern. Außerdem würde die NATO eine stärkere formale Rolle übernehmen. Derzeit liefert die NATO als Organisation keine Waffen oder Munition. Das übernehmen die einzelnen Mitgliedsstaaten bilateral mit der Ukraine.

Im Moment koordinieren die USA die Bemühungen der einzelnen NATO-Mitgliedsstaaten. Ob das nach den US-Wahlen im November noch so weitergeht, ist fraglich. Sollte der radikale Republikaner Trump ins Weiße Haus zurückkehren, würde sich der Wind unter den NATO-Verbündeten wohl drehen. Trump hat bereits angekündigt, dass er keinen Cent mehr in die Ukraine überweisen würde. Der 76. Geburtstag der NATO im kommenden Jahr könnte also ganz anders werden als die Gedenkveranstaltung heute in Brüssel.

Das Interview führte Alexandra von Nahmen.

Short teaser 75 Jahre NATO waren auch 75 Jahre Ringen um Einheit. NATO-Generalsekretär Stoltenberg im DW-Interview.
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Image caption DW-Interview mit NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg: "Hilfe für die Ukraine ist dringend. Wir müssen mehr tun."
Image source Bernd Riegert/DW
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Item 28
Id 68691269
Date 2024-04-04
Title 75 Jahre NATO: Wie steht es um das Militärbündnis?
Short title 75 Jahre NATO: Wie steht es um das Militärbündnis?
Teaser Zurück auf Anfang für die NATO: 1949 stand der Feind im Osten. Das ist heute wieder so. Russlands Krieg gegen die Ukraine bestimmt das Jubiläum der Allianz. Aus Brüssel Bernd Riegert.

Die NATO ist die älteste und weltweit einzige militärische Allianz aus demokratischen Staaten. Und sie ist immer attraktiv. 1949 startete das Bündnis mit 12 Mitgliedern. Heute hat es 20 mehr. Jüngst traten Finnland und Schweden bei, weil sie Schutz vor Russland suchen. Der Ukraine und Georgien ist der Beitritt zugesagt, aus dem gleichen Grund. Die Erweiterung der NATO nach Osten begann vor 25 Jahren mit ehemaligen Mitgliedern des Warschauer Paktes, also des aufgelösten Militärbündnisses des Ostblocks: Das waren Polen, Tschechien und Ungarn.

Damals, zum 50. Geburtstag der NATO, herrschte Aufbruchstimmung. Den Kalten Krieg wähnte man gewonnen. Russland wurde als Partner angesehen. Moskau hatte 1997 vertraglich zugesichert, keine Einwände gegen eine Osterweiterung zu erheben. Als Mitglieder folgten 2004 die baltischen Staaten, die Slowakei, Slowenien, Bulgarien und Rumänien. 2009 traten Albanien und Kroatien der Allianz bei. 2017 und 2020 nahm die NATO mit Montenegro und Nordmazedonien weitere Teile des ehemaligen Jugoslawiens auf.

Russland sagt Nein

Der russische Präsident Wladimir Putin begann Anfang der 2000er Jahre, den Ostkurs der NATO zu kritisieren. Er behauptete: Als die ehemalige DDR durch die deutsche Wiedervereinigung 1990 in das Bündnis aufgenommen wurde, sei der Sowjetunion versprochen worden, dass die NATO sich nicht in den ehemaligen sowjetischen Einflussbereich ausdehnen werde. Schriftlich wurde dies jedoch nie festgelegt. Moskau unterschrieb 1997 die Russland-NATO-Akte, die solche Zusagen nicht enthält.

2008 versprach die NATO Georgien und der Ukraine im Prinzip die Mitgliedschaft. Spätestens da legte Putin einen strategischen Schalter um. Teile Georgiens brachte er unter russische Kontrolle, 2014 annektierte Russland die ukrainische Krim und unterstützte in der Ostukraine Separatisten. Dann folgte 2022 der Angriff auf die gesamte Ukraine. Die NATO hält die Tür für weitere Beitritte trotzdem offen. Oder gerade deswegen?

Zweifel an den USA

Im Grunde ist die Lage so wie vor 75 Jahren bei der Gründung der NATO am 4. April 1949 in Washington. Der wachsenden Bedrohung aus dem Osten will der freie Westen militärisch mit gegenseitigem Beistand begegnen - unter dem Schirm der Nuklearwaffen der USA. Kalter Krieg reloaded.

"Was die Bedrohungssituation angeht und die Reaktion der NATO, scheint alles so zu sein wie damals. Kollektive Verteidigung ist wieder die Kernaufgabe. Daran gibt es gar keine Zweifel", sagt Matthias Dembinski vom Leibniz-Institut für Friedens- und Konfliktforschung in Frankfurt am Main. Der entscheidende Unterschied zu 1949 sei aber, dass es starkes Misstrauen gegenüber der NATO-Führungsnation USA gebe. Sollte der nächste US-Präsident Donald Trump heißen, könnte die bisher geltende Beistandsformel hinfällig werden. "Die Aufgabe, die dann im schlimmsten hypothetischen Fall auf die Europäer zukäme, wäre eine zweifache", so Matthias Dembinski. "Nämlich die politische Führungsleistung der USA zu kompensieren und ebenso die militärischen Beiträge, die die USA bisher in die NATO eingebracht haben. Das ist eine Herkulesaufgabe. Ob das gelingt, ist alles andere als klar."

Energiegeladen auch mit 75?

Der amtierende US-Präsident Joe Biden beschwört die Beistandsformel des Artikels 5 der NATO-Charta als "heilig und unverbrüchlich". Danach ist ein Angriff auf ein Mitglied ein Angriff auf alle. Beim jüngsten NATO-Gipfel 2023 im litauischen Vilnius beschrieb er den Zustand des nordatlantischen Bündnisses so: "Heute ist unsere Allianz ein Bollwerk für globale Stabilität und Sicherheit, so wie sie es seit über sieben Jahrzehnten war. Die NATO ist stärker, energiegeladener und geeinter als jemals zuvor."

Die Konfrontation mit Russland und die Unterstützung für die Ukraine schweißt die Allianz derzeit zusammen, beobachtet auch der Konfliktforscher Matthias Dembinski im Gespräch mit der DW. Mit nunmehr 32 Mitgliedern und ihren teils widerstrebenden Interessen ist die Allianz nicht ständig in Geburtstagslaune. "Die NATO hat erhebliche Trägheitseffekte. Und das kann so ein Bündnis auch immer wieder vor eine existenzielle Herausforderung stellen", meint Matthias Dembinski. "Das Interessante bei der NATO ist eigentlich, dass sie bisher alle ihre Krisen irgendwie überstanden hat - und die sind schwer gewesen. Die NATO war bisher erstaunlich anpassungsfähig."

Boris Pistorius: Steuer herumreißen

Die Herausforderung für die NATO heute sei, von internationalen Einsätzen wieder auf die vernachlässigte Verteidigung des eigenen Gebiets umzustellen, meint der deutsche Verteidigungsminister Boris Pistorius im Interview mit dem Studio Brüssel der Deutschen Welle. Zurück zu den Wurzeln, und zwar zügig. "Wir reißen das Steuer gewissermaßen in voller Fahrt herum. Die Fahrtrichtung internationale Kriseneinsätze, Auslandsmissionen stoppen wir jetzt. Wir müssen den Schub umkehren, wieder in Richtung Landes- und Bündnisverteidigung. Das braucht einen Moment. Da sind wir gerade dabei und das wird dynamisch, wie ich das wahrnehme."

Die Zukunft der NATO werde vom Ausgang des Krieges Russlands gegen die Ukraine abhängen, obwohl sie selbst noch gar kein Mitglied ist. Das sei eine Frage der Glaubwürdigkeit für die Allianz, meint der ehemalige leitende NATO-Sprecher und Kommunikationsdirektor Jamie Shea. "Selbst wenn die Ukraine es schafft, Russland zu besiegen und ihr Territorium zu befreien, wird Russland boshaft und rachsüchtig bleiben. Es wird die NATO nicht lieben. Unglücklicherweise wird Russland für viele Jahre die größte Bedrohung für die NATO bleiben."

Short teaser 1949 stand der Feind im Osten. Das ist heute wieder so: Russlands Krieg gegen die Ukraine bestimmt das NATO-Jubiläum.
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Item 29
Id 68670225
Date 2024-04-03
Title 75 Jahre NATO: Das Auf und Ab der Allianz
Short title 75 Jahre NATO: Das Auf und Ab der Allianz
Teaser Von ursprünglich zwölf auf 32 Mitglieder ist die Allianz gewachsen. Russland ist nicht mehr Partner, sondern wieder Feind. Ein Rückblick auf Sinnkrisen und Solidarität zum runden Jubiläum am 4. April.

Gründung nach dem Zweiten Weltkrieg

Am 4. April 1949 unterzeichnen zehn europäische Staaten sowie die USA und Kanada in Washington den Nordatlantik-Vertrag. Dies gilt als die Geburtsstunde der NATO.

Das Militärbündnis soll den Expansionsbestrebungen der kommunistischen Sowjetunion begegnen, nationalistischen Militarismus in Westeuropa verhindern und gleichzeitig ein dauerhaftes Engagement der USA in Europa vier Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges garantieren.

1945 setzten die USA ihre ersten Atombomben in Japan ein. 1949 zündet die Sowjetunion (UdSSR) ihre erste Atombombe. Die NATO setzt auf massive Vergeltung. Jeder Angriff auf NATO-Gebiet würde mit einem möglichst großen Atomschlag beantwortet.

Am 9. Mai 1955 tritt nach kontroverser Debatte die Bundesrepublik, also der westliche der beiden deutschen Staaten, der NATO bei. Nur fünf Tage später wird der Warschauer Pakt gegründet, das osteuropäische Militärbündnis unter Führung der Sowjetunion.

Der östliche deutsche Staat, die DDR, ist Teil des Warschauer Paktes. Westdeutsche und Ostdeutsche stehen sich am Eisernen Vorhang in unterschiedlichen Bündnissen gegenüber.

Von Konfrontation zu Entspannung

Die Kubakrise 1961 führte die Supermächte USA und Sowjetunion an den Rande eines Atomkriegs. Die Führung in Moskau lenkte ein und stoppte die Stationierung von Atomwaffen auf Kuba, weil sie vom damaligen Präsidenten John F. Kennedy mit einem nuklearen Schlag bedroht wurde.

Geschockt von diesem Beinahe-Krieg und der erneuten Konfrontation beim Bau der Berliner Mauer 1961, entschlossen sich NATO und Warschauer Pakt, einen sehr vorsichtigen Kurs der Entspannung einzuschlagen.

Der Kalte Krieg sollte kein heißer werden. Die NATO änderte ihr Konzept. Von jetzt an sollte es auf einen sowjetischen Angriff eine "flexible Antwort" geben, also abgestufte militärische Aktionen. Ein Atomschlag blieb zur Abschreckung das letzte Mittel.

1966 kam es zum halben Bruch zwischen der NATO und Frankreich. Präsident Charles de Gaulle pochte auf seine Unabhängigkeit bei militärischen Entscheidungen.

Frankreich verließ die NATO-Kommandostrukturen, nicht aber die politische Allianz. Das NATO-Hauptquartier musste von Paris nach Brüssel umziehen. Erst 2009 kehrte Frankreich vollständig in die militärische Allianz zurück.

Neuer Kalter Krieg, Ende des Warschauer Paktes

1979 marschierte die Sowjetunion in Afghanistan ein und stationierte in Europa SS20-Mittelstreckenraketen mit Atomsprengköpfen. Die NATO reagierte mit einer intern umstrittenen Nachrüstung von Mittelstreckenraketen.

1985 kam der sowjetische Reformer Michail Gorbatschow in das höchste Amt der UdSSR. Mit ihm veränderte sich der Kurs der Sowjetunion dramatisch.

Die Konfrontation zwischen Ost und West ließ nach und Abrüstungsverträge konnten geschlossen werden. Der damalige US-Präsident Ronald Reagan (1981 bis 1989) forderte Gorbatschow auf, die Mauer in Berlin einzureißen.

Zuerst brach Polen aus der Phalanx der kommunistischen Staaten aus. 1989 implodierte die DDR. Die Sowjetunion griff nicht ein.

Die NATO stellte sich die Frage, ob ein wiedervereinigtes Deutschland dem westlichen Militärbündnis angehören sollte. Die Frage wurde von der Sowjetunion, den USA, Frankreich und Großbritannien - den Siegermächten des Zweiten Weltkriegs - mit Ja beantwortet. 1991 wurde der Warschauer Pakt aufgelöst, weil sich die ehemals kommunistischen Mitgliedstaaten von der Sowjetunion lossagten.

"Grundakte" zwischen NATO und Russland

Statt sich selbst aufzulösen, definierte die NATO unter Führung der USA, dass sie weiterhin nötig sei, um militaristischen Nationalismus in Europa zu unterbinden und Demokratie und Menschenrechte in Europa zu garantieren. Der Feind Sowjetunion zerfiel.

Mit Russland wurde eine neue Art strategischer Partnerschaft angestrebt. 1997 unterzeichnen beide Seiten in Paris die "NATO-Russland-Grundakte", in der Russland kein Veto gegen die Ost-Erweiterung einlegt und die NATO garantiert, keine Truppen dauerhaft in neuen Mitgliedsstaaten zu stationieren.

Bereits 1991, als die Sowjetunion aufgelöst wurde, dachte der Präsident Russlands, Boris Jelzin darüber nach, ob sein Land nicht selbst der NATO beitreten sollte. Dieser Gedanke wurde 2000 noch einmal vom neuen russischen Präsidenten Wladimir Putin aufgegriffen.

Im zerfallenden Jugoslawien wird die NATO in den 1990er Jahren aktiv, um Bürgerkriege zu befrieden und Europa vor einer Eskalation zu schützen. In Bosnien-Herzegowina wird 1995 eine 60.000 Mann umfassende Friedenstruppe IFOR mit einem Mandat der Vereinten Nationen stationiert.

1999 bombardiert die NATO serbische Städte, um einen Rückzug serbischer und jugoslawischer Einheiten aus dem Kosovo zu erzwingen. Dort drohte nach Einschätzung der Vereinten Nationen eine humanitäre Katastrophe durch die systematische Vertreibung von Kosovo-Albanern.

Ein Mandat für einen Einsatz der NATO erteilen die Vereinten Nationen aber nicht. Die NATO mandatierte sich selbst, was völkerrechtlich höchst umstritten ist.

Im Kosovo stationiert die Allianz die KFOR-Truppe, die bis heute aktiv ist. Der Konflikt zwischen Serbien und Kosovo ist auch 25 Jahre nach dem Bombardement ungelöst.

Der Ernstfall

Nach dem Terroranschlag gegen Ziele in den USA vom 11. September 2001 erklärte die NATO das erste und bisher einzige Mal den Bündnisfall. Nach Artikel 5 stehen alle NATO-Mitglieder dem angegriffenen Land bei, und zwar mit den Mitteln, die sie für angemessen halten.

Der Kampf gegen den Terrorismus wird die NATO 20 Jahre lang beschäftigen. Nach dem Fall des Taliban-Regimes zieht eine internationale Truppe unter NATO-Führung in Afghanistan ein, um das Land zu befrieden und eine Demokratie aufzubauen.

Der Plan scheitert im Sommer 2021 grandios. Unter chaotischen Umständen müssen die letzten internationalen Truppen die afghanische Hauptstadt Kabul verlassen. Die Taliban sind wieder an der Macht.

Die NATO gerät in eine schwere Sinnkrise. Der amerikanische Präsident Donald Trump hält die NATO für obsolet. Er will höhere Verteidigungsausgaben mit mehr Druck auf die Verbündeten durchsetzen.

Der französische Präsident Emmanuel Macron hält die NATO wegen möglicher mangelnder Bündnistreue der USA für "hirntot". Er will den europäischen Teil der NATO stärken.

Zurück auf Anfang: Russland ist wieder Feind

Die Frage nach Sinn und Aufgabe der NATO beantwortet der russische Präsident Wladimir Putin. Spätestens seit dem Überfall Russlands auf die Ukraine am 24. Februar 2022 ist der Allianz klar, dass Russland der Feind und die Landesverteidigung wieder die Hauptaufgabe der NATO sein werden - so wie bei der Gründung 1949.

Putin spricht sich spätestens seit 2008 gegen eine Osterweiterung der NATO aus. Die Allianz sagt diesen Schritt aber im April 2008 der Ukraine und Georgien zu, allerdings ohne konkreten Daten.

1999 hatte die NATO, damals noch mit Billigung Russlands, Polen, Tschechien und Ungarn aufgenommen. 2004 folgten die drei baltischen Staaten, die einst Sowjetrepubliken waren, sowie die Slowakei, Slowenien, Rumänien und Bulgarien.

Putin, der zunehmend autokratisch regiert, fühlt sich umzingelt. 2014 lässt er die ukrainische Schwarzmeer-Halbinsel Krim annektieren und steuert russische Separatisten in der Ostukraine.

Die NATO reagiert mit der Stationierung von kleinen "Kampfgruppen" an ihrer Ostflanke und erhöht die Einsatzbereitschaft einer Eingreiftruppe. Die Erweiterung geht unterdessen weiter. Kroatien, Albanien, Montenegro und Nordmazedonien treten der Allianz bei.

Schweden und Finnland stärken Allianz

Nach dem Angriff auf die Ukraine 2022 stellen auch das bisher neutrale Finnland und Schweden Beitrittsanträge. Beide Staaten sind nach anfänglicher Opposition aus der Türkei und Ungarn inzwischen aufgenommen worden.

Die NATO hat nun 32 Mitglieder, 20 mehr als bei ihrer Gründung vor 75 Jahren. Wichtigste Aufgabe ist wieder die Territorialverteidigung.

Die Mitglieder der NATO, nicht die Organisation selbst, versprechen der Ukraine, sie zu finanziell zu unterstützen und auszurüsten, bis Russland den Krieg beendet. Das Bündnis will unbedingt verhindern, von Russland als Kriegspartei angesehen und angegriffen zu werden.

Short teaser Kalter Krieg, Fall des Kommunismus, Afghanistan und jetzt Russland als neuer Feind. Rückblick auf das Leben der NATO.
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Item 30
Id 68690958
Date 2024-03-28
Title Venezuelas Opposition ringt um Chancen bei Präsidentenwahl
Short title Venezuelas Opposition ringt um Chancen bei Präsidentenwahl
Teaser Im letzten Moment hat sich Venezuela Opposition eine Kandidatur für die Präsidentenwahl im Juli gesichert. Doch die Chancen gegen Machthaber Maduro scheinen gering: Die eigentliche Herausforderin darf nicht antreten.

Buchstäblich Minuten vor Ende der Frist ist es der Oppositionskoalition in Venezuela gelungen, einen Kandidaten für die Präsidentenwahl am 28. Juli 2024 zu melden. Im Januar hatte der Oberste Gerichtshof den Ausschluss der eigentlichen Spitzenkandidatin des Wahlbündnisses PUD (Plataforma Unitaria Democratica, deutsch.: Demokratische Einheitsplattform), Maria Corina Machado, bestätigt. Diesen Montag dann konnte sich ihre designierte Ersatzkandidatin Corina Yoris "aus technischen Gründen" nicht für die Wahl registrieren.

Letztlich gelang es der PUD, nach einer Fristverlängerung am Dienstag vor Ostern den ehemaligen Diplomaten Edmundo Gonzalez Urrutia als Kandidaten gegen Amtsinhaber Nicolas Maduro zu melden. Daneben hat Venezuelas oberste Wahlbehörde CNE zwei weitere oppositionelle Kandidaten bestätigt.

Wer sind die Oppositionskandidaten in Venezuela?

Die eiligst erfolgte Registrierung von Gonzalez ist laut PUD lediglich als vorläufige Kandidatur zu betrachten. Ziel sei es nach wie vor, Oppositionsführerin Machado aufzustellen. Bis zu zehn Tage vor den Wahlen sei dies rechtlich möglich.

Das war auch der Plan, als die PUD zunächst Corina Yoris als Ersatz nominieren wollte. Die 80-jährige emeritierte Philosophieprofessorin gilt als eloquent, aber als politisch vollkommen unerfahren.

Der zweite Ersatzkandidat Gonzalez sitzt immerhin im Führungsgremium der mit der PUD verbundenen MUD (Mesa de la Unidad Democratica, deutsch: Koalition der demokratischen Einheit). Jedoch ist auch er der Öffentlichkeit in Venezuela wenig bekannt. Oppositionsführerin Machado versprach nach Gonzalez' Registrierung, für ihre eigene Teilnahme weiterzukämpfen.

Drei Kandidaturen: Risikostreuung oder Spaltung?

Ebenfalls kurz vor Ablauf der Meldefrist hat sich der ehemalige Abgeordnete und Ex-Vizepräsident der Wahlkommission, Enrique Márquez, als unabhängiger Oppositionskandidat registriert. Für mehr Wirbel sorgte jedoch die Anmeldung von Manuel Rosales.

Der heutige Gouverneur des bevölkerungsreichsten Bundesstaats Zulia war 2006 als Präsidentschaftskandidat des Oppositionsbündnisses erfolglos gegen den damaligen Amtsinhaber Hugo Chavez angetreten. Dessen Sozialistische Einheitspartei (PSUV) regiert bis heute das Land - seit Chavez' Tod 2013 mit Nicolas Maduro an der Spitze.

Rosales' Partei Un nuevo tiempo (deutsch: Eine neue Zeit) ist eigentlich Teil der Anti-Maduro-Koalition PUD und hatte erst Machados und dann Yoris' Kandidatur bis zuletzt unterstützt. Sich selbst habe er lediglich aus demselben Grund registriert wie Gonzalez: um der PUD die Teilnahmen an der Wahl zu sichern. Allerdings war dies offenbar nicht abgesprochen. Kurz nach Bekanntwerden warf Oppositionsführerin Machado ihm Verrat vor.

Vorwürfe gegen Venezuelas "regimetreue Opposition"

Machados Vorwurf lasse durchblicken, dass sie Rosales einer sogenannten "regimetreuen Opposition" zurechnet, sagt Victor M. Mijares von der kolumbianischen Universidad de los Andes in Bogotá. Darunter versteht man oppositionelle Kräfte, die aufgrund ihrer nicht-konfrontativen Haltung den Anschein von Parteienvielfalt vermitteln, aber keine Bedrohung für eine autoritäre Regierung darstellten. "In Venezuela genießen diese Kräfte gewisse politische Vorteile, die sich etwa im Zugang zu Posten wie Bürgermeister oder Gouverneur äußern", so Mijares.

In einem vehementen Dementi verwahrte sich Rosales diesen Mittwoch gegen Behauptungen in sozialen Medien, seine Kandidatur sei mit Nicolas Maduro abgesprochen. Doch - gewollt oder nicht - auch Günther Maihold vom Lateinamerika-Institut der Freien Universität Berlin meint, Rosales' Kandidatur sei im Interesse der Regierung: "Als Gouverneur dürfte er eigentlich überhaupt nicht kandidieren. Die von der Regierungspartei kontrollierte Wahlkommission lässt es aber zu, um die Opposition zu spalten."

Die stärkste Kandidatin ist kaltgestellt

Andererseits gilt Maria Corina Machado selbst in Oppositionskreisen als radikal. Auch deshalb wohl stand die rechts-liberale Politikerin jahrelang im Schatten gemäßigterer, eher linksliberaler Führungsfiguren wie Enrique Capriles, Leopoldo Lopez und Juan Guaido.

Spätestens im Oktober 2023 aber setzte sich Machado eindeutig an die Spitze der Opposition. Bei den Vorwahlen der PUD erhielt sie rund 90 Prozent der mehr als zwei Millionen abgegebenen Stimmen. Und das, obwohl ihr Regierungsbehörden zu diesem Zeitpunkt bereits bereit ein 15-jähriges Ämterverbot auferlegt hatten. Einer der Vorwürfe: Sie sei in ein "Korruptionskomplott" des früheren Parlamentspräsidenten Juan Guaidó verwickelt gewesen.

"Das hat Machados Position deutlich gestärkt", sagt Politologe Maihold. "Noch vergangene Woche habe ich mit Oppositionellen gesprochen, die wirklich an ihre Chance glaubten, die Wahl mit Machado zu gewinnen - wenn sie denn frei und demokratisch verlaufen würde."

Welche Wahlchancen hat die Opposition in Venezuela?

Doch genau dies ist nicht zu erwarten. Die Machthaber von der Sozialistischen Einheitspartei und ihre Verbündeten hätten im Grunde gar keine andere Wahl, als eine demokratische Abstimmung zu verhindern, meint Politologe Mijares. "Nicolas Maduro und seine Regierungskoalition befinden sich in einer Situation, in der es keine gangbare Option ist, von der Macht abzulassen, weil dies letztlich ein existenzielles Risiko darstellen würde." Die Opposition wirft dem Regime Korruption und Menschenrechtsverletzungen massiven Ausmaßes vor, die sie im Falle einer Redemokratisierung des Landes kaum ungeahndet lassen würden.

Unter all den Stolpersteinen, die die Regierung der Opposition in den Weg legt, hält Lateinamerika-Experte Günther Maihold den Ausschluss der Anführerin Machado für den entscheidenden. Machthaber Maduro genieße nur noch die Unterstützung von maximal 30 Prozent der Venezolaner. Dies seien vor allem Parteigänger, Militärs und deren Angehörige - Wähler also, die handfeste Vorteile von seiner Regentschaft haben.

"Der Wahlerfolg der Opposition hängt deshalb im Wesentlichen davon ab, wie viele Wähler sie mobilisieren kann", sagt Maihold. Aber nur einer Führungsfigur wie Machado könne es vermutlich gelingen, eine demokratische Mehrheit auf sich zu vereinen.

Short teaser Die Chancen der Opposition gegen Machthaber Maduro scheinen gering: Die eigentliche Herausforderin darf nicht antreten.
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Image caption Machthaber Maduro vor Anhängern (im Februar): stärkste Gegenkandidatin mit Amtsverbot belegt
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